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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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von Bill Blaines Sportgeschäft (»Sport ist unser Geschäft«), vor dem Harriet allabendlich ein kleines Ritual zelebrierte, indem sie eines der Datumskästchen auskreuzte. Mit frisch gewaschenem Gesicht und geputzten Zähnen stand sie in dem seidenen Morgenmantel, den Avel ihr geschenkt hatte, im Lichtschein der kleinen Lampe mit dem glockenförmigen Schirm und strich wieder einen Tag mit einem großen X aus. Es freute sie zu sehen, wie die Zeit voranmarschierte, und sie fühlte sich, während sie mit einem schwarzen Stift vor dem Kalender stand, jedem Tag persönlich verbunden: ja, ich habe dich genutzt, du hast für mich existiert, ich danke dir. Ihr gefiel das Muster, das die schwarzen Kreuze bildeten, und eines Abends bemerkte sie lächelnd, daß das Muster immer schöner wurde, je näher ihr Hochzeitstag rückte.

10
    IN Südamerika bekam Avel eine sonnenbraune Haut und ließ sich bei Bogotas erstem Schneider ein halbes Dutzend Anzüge machen. Er gewöhnte es sich an, Panamahüte zu tragen und seine Krawatte mit einer Brillantnadel zu schmükken, und wenn er sich in den Spiegeln des Hotelfoyers sah, lachte er und dachte, wer ist denn dieser kleine Kerl, der aussieht wie der Eigentümer eines lateinamerikanischen Tanzpalasts?
    Auf Festen und Empfängen, die von Diplomaten und wohlhabenden Geschäftsleuten gegeben wurden, Festen, auf denen Musiker mit traurigen Gesichtern die Saiten ihrer Gitarren zupften und die Gäste aus gekachelten Speisesälen auf Terrassen, die von blühender Bougainvillea überwuchert und von Paradiesvögeln bevölkert waren, hinausströmten, pflegten schöne Frauen mit dickem schwarzem Haar, das in kunstvollen Rollen und Knoten hochgesteckt war, Avel zu umringen und ihn zum Tanz einzuladen, zu einem zweiten Glas Wein, oder zu einer zweiten Portion der köstlichen fritierten Desserts.
    Avel ließ sich soviel Aufmerksamkeit mit liebenswürdiger Höflichkeit gefallen, doch die Scharen schwarzäugiger, braunhäutiger Schönheiten waren für ihn keine Quelle der Versuchung. Sie waren Blumen in einem bunten Strauß der Weiblichkeit, in dem nur die unvergleichliche Rose in der Mitte lockte, seine Harriet.
    Er flog nach Buenos Aires und besichtigte unter Führung eines Gutsbesitzers, der in Harvard studiert hatte und auf einem Schneidezahn einen Rubin trug, die riesigen Weizenfelder der Pampas. Er traf sich in Brasilia und Caracas mit Landwirtschaftsministern, sprach mit Gauchos über den Ernteertrag und die klimatischen Verhältnisse, ritt mit dem Bürgermeister von Cordoba auf einem Packesel und betrank sich im Eisenbahndepot von La Paz mit einer Gruppe Ökonomiestudenten mit dem besten Bier, das er je gekostet hatte.
    Er lachte sich ins Fäustchen darüber, daß der Plan seiner Schwestern, die gemeint hatten, ihn ins Exil zu schicken, vereitelt war. In Wahrheit hatte sich die Strafversetzung als das Abenteuer seines Lebens entpuppt. In Bogota, von wo aus er seine Unternehmungen startete, hatte er auf dem Nachttisch ein Notizheft liegen, in dem er jeden neuen geschäftlichen Gedanken festhielt – Überlegungen über Sorghumzüchtungen und Fruchtwechsel oder den Aufbau von Kooperativen. Als letztes schrieb er abends immer seiner zukünftigen Frau. In einem Brief vom 10. Juni 1954 schrieb er.
    Liebe Harriet,
    wir müssen unsere Flitterwochen unbedingt verlängern und gleich nach unserer Campingreise in die Wisconsin Dells hierherkommen. Ich habe Señora Rosa, meiner Haushälterin, Dein Foto gezeigt – das, was wir unter der Hiawatha-Statue, die Nokomis trägt, aufgenommen haben –, und sie hat mit einem abgrundtiefen Seufzer gesagt: »muy bonita«. Sie hat mir einen Rosenkranz geschenkt, von dem sie behauptet, er würde uns in unserer Ehe Glück bringen.
    Ich vermisse Dich, Harriet, aber ich bin glücklich dabei. Deine Liebe ist immer bei mir und befruchtet mich. Ich spüre plötzlich ein Vertrauen in mich selbst und meine Fähigkeiten und ein Interesse an den Familiengeschäften, wie ich sie bei mir niemals erwartet hätte, und das, meine Allerliebste, ist allein Dein Werk.
    O Liebling, ich habe heute auf allen vieren gelegen und zusammen mit einem stummen Pasto-Indianer, der so alt war wie die Anden, in reichem Schwemmland gegraben. Wir haben uns eine halbe Stunde über einen kostbaren Weizenschößling ausgetauscht. Harriet,

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