Patty Janes Frisörsalon
Ställchen in der Ecke schlief, wachte auf und begann zu weinen.
»Ich möchte, daà Sie jetzt gehen«, sagte Patty Jane.
»Wir leben in einem freien Land.«
Clyde Chuka stand auf. »Brauchen Sie Hilfe, Patty Jane?«
»Ah, Häuptling Sitting Bull auf dem Kriegspfad!«
Es war ein Kampf, aber gemeinsam schafften es Clyde Chuka, Patty Jane und Ione, die Frau zur Tür hinauszubugsieren und an ihr Auto zu bringen.
»Als was haben Sie mich jetzt eigentlich wirklich eingestellt?« fragte Clyde Chuka, als sie der Davonfahrenden nachsahen. »Als Handpfleger oder RausschmeiÃer?«
»Verwirklichen Sie sich ganz nach eigenem Geschmack«, antwortete Patty Jane. »So halten wir das hier.«
Nora stieà die Falttür auf, die die Flotte Locke vom EÃzimmer trennte, und setzte sich auf einen der freien Stühle.
»Ist Mama schon wieder da?« fragte sie Clyde Chuka. Die Schuldgefühle des Ãberbringers schlechter Nachrichten plagten sie â sie hatte ja den Brief von Thor gebracht â, und sie fragte sich, warum ihr Vater nie mal ein »Hallo, meine Kleine, wie geht es Dir?« einstreute.
Clyde Chuka schüttelte den Kopf. »Ich bin bis zwei Uhr frei. Soll ich dir die Nägel machen?«
Nora nickte glücklich. Sie war erst neun Jahre alt, aber wenn sie eine Maniküre bekam, fühlte sie sich wie zwölf. Sie hatte das hellblonde Haar und die himmelblauen Augen ihres Vaters, aber sie war weitaus frecher als das Durchschnittsengelchen. Sie war es, die Karen Anderson, die Tochter von Patty Janes erster Friseuse, Dixie Anderson, in den Obstkeller sperrte, nachdem Karen sie einmal zu oft in den Bauch geboxt hatte. Karen und Nora führten einen ständigen Kampf um die Aufmerksamkeit von Bevs Sohn Ricky, der mehrere Jahre älter war als die beiden und, im gängigen Jargon, einfach »zucker« aussah. Und beim Waschen fand Patty Jane in Noras Overalltasche einmal einen zusammengeknüllten Zettel von Noras Lehrerin, die schrieb, Nora müsse die ganze Woche nachsitzen â wegen Raufens.
»Aber Lois Lombardi hat angefangen!« beschwerte sich Nora, als Patty Jane eine Erklärung verlangte. »Sie hat mich ausgelacht â weil ich keinen Vater hab.«
Patty Jane gab jeden Gedanken auf, ihrer Tochter einen Vortrag über Selbstbeherrschung zu halten. »Es war unrecht von deinem Vater, uns zu verlassen, Nora«, sagte sie statt dessen. »Aber es war seine Schuld, daà er uns verlassen hat â nicht deine und nicht meine. Manche Leute haben viele Gründe, Dinge zu tun, die anderen Menschen weh tun.«
»Ich hab nur einen Grund gehabt, Lois Lombardi eine zu verpassen«, schnüffelte Nora. »Ich hasse sie.«
»Dein Vater hat uns nicht gehaÃt, Schatz, er hat nur â ach, ich weià auch nicht. Ich nehme an, er dachte, er wäre noch zu jung, um Ehemann und Vater zu sein. Er hat seine eigene Entscheidung getroffen.«
»Und seine Entscheidung hasse ich auch!« sagte Nora mit Nachdruck.
»Das weià ich, Kind.« Patty Jane warf das Handtuch weg, das sie gerade falten wollte, und nahm ihre Tochter in die Arme. Sie wünschte, sie könnte sie immer so halten und vor Schmerz und Verletzung und dummen Menschen wie der kleinen Lombardi schützen.
Doch eine Situation gab es, in der sich Nora stets von ihrer besten Seite zeigte: wenn sie in der Flotten Locke sitzen und den Gesprächen der Frauen zuhören durfte; sie kam sich dann vor, als hätte sie Einlaà in einen exklusiven Klub gefunden, in dem sie Dinge erfuhr, die streng geheim waren. Die hübsche, mollige Myrna Johnson erzählte von ihren Abenteuern beim Schnäppchenfang. Ganz gleich, was man brauchte, vom Topflappen bis zum Hüftgürtel, sie wuÃte, wo man es billiger bekam. Inky Kolstat, deren Haar ihren Kopf wie eine weiÃe Wolke umgab, arbeitete als Platzanweiserin im Orpheum-Kino. Als junge Frau hatte sie einmal mit John Barrymore einen Kaffee getrunken.
»Er wollte mehr«, sagte sie, »aber als flüchtiges Abenteuer hätte ich mich für keinen hergegeben, auch nicht für einen Kinohelden.«
Alva Bundt wurde dauernd von ihrem Mann betrogen, was ihr aber nicht viel ausmachte. »Denn«, sagte sie, »je mehr er sich drauÃen holt, desto weniger verlangt er von mir.«
Die stattliche blonde Paige Larkin hatte nach der Geburt ihres Sohnes so schwere Blutungen bekommen,
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