Patty Janes Frisörsalon
möchten. Bist du dazu bereit?«
Das gespannte Schweigen, das darauf folgte, wurde von heftigem Poltern unterbrochen. Harriet warf Patty Jane einen erschrockenen Blick zu und war etwas getröstet, als sie ihre Schwester grinsen sah.
»Avel, es tut mir leid, daà ich dich immer so häÃlich behandelt habe«, sagte Esme mit zitternder Stimme. »Kannst du mir verzeihen?«
Wieder polterte es laut.
»Er verzeiht Ihnen«, übersetzte Wesley.
Harriet war klar, daà Wesley mit dem Knie an die Unterseite des Tischs klopfte. Dennoch setzte diese Séance ihr arg zu. Avel war seit fast zehn Jahren tot, doch Harriet hatte die Erinnerung an ihn in einem tapferen kleinen Flämmchen der Liebe am Leben erhalten und sah Avels wahren Geist durch diesen Hokuspokus entwürdigt. Sie entschuldigte sich schon sehr bald und ging in den Hinterhof hinaus, um dort fröstelnd in der Kälte einer Einsamkeit, die viel bitterer war als Minnesotas eisige Temperaturen, eine Zigarette zu rauchen.
Die anderen verlieÃen die Séance zufriedener: Wesley war um fünfzig Dollar reicher, Esme war überzeugt, ihr Bruder habe ihr verziehen, und Patty Jane hatte einen Anstoà zu ein paar ganz neuen Ideen bekommen.
An einem kühlen Märzabend im Jahr 1964, als ein beharrlicher Wind an den Fensterläden rüttelte, verkündete Patty Jane, sie habe neue Pläne für die Flotte Locke. Ein Ton in ihrer Stimme veranlaÃte Nora, die Patty Duke Show abzuschalten, und Ione legte den Reiseteil der Zeitung aus der Hand.
»Hört euch das mal an.« Patty Jane tippte mit ihrem Kugelschreiber auf einen Stenoblock und räusperte sich. »Patty Janes Flotte Locke präsentiert ihre Vortragsreihe âºBerühmte Leute im Gesprächâ¹. Für einen Dollar â inklusive Erfrischungen â können Sie von Menschen hören und lernen, wie sie ein erfolgreiches und kreatives Leben aufgebaut haben.« Patty Jane blickte auf. »Na?«
Ihren Worten folgte Schweigen. Nur das Klopfgeräusch ihres Kugelschreibers war zu hören.
SchlieÃlich hüstelte Ione und sagte: »Patty Jane, kennst du überhaupt irgendwelche berühmten Leute?«
»Den Titel kann man ja noch ändern«, gab sie gereizt zurück. »Wenn einem von euch was Besseres einfällt, kann erâs mir ja sagen.«
Harriet, Ione und Nora tauschten einen Blick. Harriet zündete sich eine Zigarette an und stieà den Rauch durch ihre Nase aus, was, wie Nora fand, halb todschick, halb dämonisch wirkte.
»Vielleicht könntest du das ein biÃchen näher erklären, Patty Jane«, sagte sie.
»Okay, mehr verlang ich ja gar nicht, nur ein kleines BiÃchen Interesse«, erwiderte Patty und wandte sich ihrer Schwiegermutter zu. »Ione, wem schütten die Leute im allgemeinen ihr Herz aus?«
Ione sah Harriet hilfesuchend an, doch die war in den Anblick ihrer Rauchringe vertieft, die sich in der Luft auseinanderzogen und auflösten.
»Ihren Familien?« Manchmal vermittelte die Art, wie Patty Jane eine Frage stellte, Ione das Gefühl, es sei dringend zu empfehlen, die richtige Antwort zu geben, weil sonst ein Gong ertönen und sie mit einer Strafe belegt werden würde.
»Ja, sicher«, antwortete Patty Jane. »Aber ich meine, auÃerhalb der Familie. Zu wem gehen sie?«
»Zu ihrem Pfarrer?«
»Ja, ja, aber zu wem noch?«
Als es still blieb, seufzte Patty Jane, als wäre sie die einzige im Raum, die einen IQ über hundert hatte.
»Zu ihrem Friseur«, erklärte sie, das Rätsel lösend. »Jeder weià doch, daà die Leute immer beim Friseur ihre Probleme abladen, richtig?«
Sie murmelten zustimmend, froh, daà Patty Jane das Quiz beendet hatte.
»Und ihr wiÃt, was ich Tag für Tag beim Frisieren zu hören bekomme?«
»Daà Alva Bundts Mann sie immer betrügt?« fragte Nora.
Patty Jane und Harriet lachten.
»Uff-da mayda« , sagte Ione und versuchte, ein Lächeln zu verbergen. »Ist das die Art von Erziehung, die das Kind bekommt, wenn es dauernd im Salon rumsitzt und ihm keiner mal die Bügel anlegt.«
»Die Zügel «, verbesserte Patty Jane.
Nora verstand die Reaktion auf ihre einfache Frage nicht; »betrügen«, bedeutete für sie, daà Alva Bundts Ehemann beim Kartenspielen schummelte oder seinen Damestein verschob, wenn er glaubte, es sähe niemand hin.
Patty Jane
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