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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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wäre ihr ein bißchen Licht recht gewesen.
    Sie kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Nie war eine Handtasche groß oder klein genug, so daß man gleich fand, was man suchte. Die Forsythie vor dem Haus roch verblüht; es duftete nach aufbrechender Erde. Etwas raschelte im Gebüsch und entfernte sich langsam. Ein Tier? Dann war es größer als eine Maus. Die Katze? Die wäre nicht davongerannt.
    Sophies Körper reagierte ganz ohne ihr Zutun. Sie spürte, wie sich die feinen Härchen auf ihren Armen aufstellten, fast wie bei Alisha, wenn ein fremder Kater sich in ihr Revier wagte. Mit trockenem Mund schloß sie die Haustür auf. Das erste Mal, seit sie hier eingezogen war, dachte sie an eine Alarmanlage.
    Aber ob das verhindert hätte, was sie vorfand, nachdem sie die Haustür hinter sich zugezogen hatte?
    Sie roch es, bevor sie es sah. Ein Geruch, der ihr die Kehle zuschnürte und das Wasser in die Augen trieb. Es mußte unter dem zerbrochenen Flurfenster liegen. Sie hielt die Luft an und tastete nach dem Lichtschalter. Da war es. Etwas Rotes. Es bewegte sich. Es lebte noch. Sie stürzte zur Gästetoilette.
    Nach unendlich langen Minuten beruhigte sich ihr Magen. Sie holte das Kehrblech aus der Besenkammer neben dem Klo und ging zurück in den Flur. Ein überfahrenes Eichhörnchen. Natürlich lebte es nicht mehr. Nur die Maden wimmelten unter seinem stumpfen roten Fell.
    Sie brachte die lebende Leiche hinaus, bis zum Gartentor, nicht zum Mülleimer, nicht in der Dunkelheit. Auf dem Rückweg stolperte sie und wäre fast gefallen. Aufatmend schloß sie die Haustür hinter sich zu.
    Auf dem Boden im Flur kringelten sich noch immer vereinzelte Maden auf der Suche nach ihrer Futterstelle. Die Wut, mit der sie auf den fetten kleinen Dingern herumtrampelte, überraschte sie. Was konnten die Maden dafür, daß ihr jemand eine Freude bereiten wollte?
    Außerdem …
    Sie hatte damit gerechnet. Sie hatte es befürchtet. Sie hatte darauf gewartet, sie hatte darauf gehofft. Und jetzt – sie horchte in sich hinein. Sie wurde ruhig.
    Ihre Rache kam an. Der Feind reagierte.
    Als sie barfuß hinauf ins Schlafzimmer ging, wartete die Katze auf sie. Das Tier lag auf dem Bett, den kleinen roten Lederbeutel zwischen den Pfoten.

11
    »Papa, ich kann heute nicht in die Schule.«
    Caro, ich weiß, wie schlecht es einem vor einer Mathearbeit geht. Aber du mußt.
    »Nun komm schon und stell dich nicht so an!«
    Also bitte, Flo! Halt mal kurz die Luft an, ja?
    »Papa, ich habe Angst. Es blutet.«
    Also weißt du, Caro. Wir sind hier nicht im Kino.
    »Wirklich, Papa.«
    DeLange fiel das Herz in die Hose. Mein kleines Mädchen. Steht mitten in der Küche, Augen weit aufgerissen, und hält sich den Bauch. Mein kleines Mädchen ist kein kleines Mädchen mehr. In diesem Moment haßte er Feli inbrünstiger, als er sie je geliebt hatte.
    Mit wenigen Schritten war er bei seiner jüngsten Tochter und nahm sie in den Arm. Er kam sich zu groß, zu plump, zu gefühllos, zu männlich vor. Wahrscheinlich schämte sie sich. »Geh wieder ins Bett, Caroline.«
    »Ich kann nicht!« Verzweifelt.
    DeLange, auf dem Schlauch. Bis er es endlich kapierte. »Ich hol dir ein frisches Laken, o. k.?« Sie nickte unter Tränen. Flo zog betreten ab in die Schule.
    Eine Minute später wählte er Felis Nummer. Das war ihr Job, verdammt! Ihre Jüngste kriegte die Tage, und die Mutter war nicht da. Die Rabenmutter. Die elende Schlampe. Das untreue Miststück. Nie da, wenn man sie brauchte. Auch nicht früh um halb acht. Sie ging einfach nicht ans Telefon. Er warf das blöde Ding auf den Tisch, wo es mit der Butterdose zusammenstieß, bevor es auf den Boden fiel.
    »Sachdienliche Hinweise bitte an die Polizei in Bad Moosbach …« Das Radio. Die suchten noch immer nach dem Zwölfjährigen. Ob der auch so ein Prachtstück von Mutter zu Hause hatte? So eine mit Selbstverwirklichungstick?
    Caro war oben auf dem Klo. Er hörte sie schluchzen, als er in ihr Zimmer ging, um das Bett frisch zu beziehen. Gut, daß Flo schon weg war. Zwei Mädchen mit Hang zum Drama verkraftete er heute morgen nicht.
    »Caro? Dein Bett ist fertig.«
    Keine Antwort. Rumgeflenne. Dann ging die Spülung.
    »Caroline? Soll ich dir was holen? Aus der Apotheke?« Wie nannte man das? Damenbinden. Hoffentlich mußte er nicht danach fragen.
    »Nein? Ja? Soll deine Mutter kommen?«
    Er wartete die Antwort nicht ab, lief die Treppe hinunter, suchte das Telefon, fand es unter dem Küchentisch, drückte

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