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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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größeres Problem.«
    Er ließ sie erzählen. Ein neuer Job. Eine andere Stadt.
    »Soll ich? Ja oder nein?«
    »Was sagt dir dein Gefühl?« Bremer hatte im Laufe der Zeit gelernt, Frauen nicht nach ihrem Verstand zu fragen, den sie doch nur unterschätzten.
    »Was heißt hier Gefühl? Es geht um einen Karrieresprung, der mit einer ziemlichen Unannehmlichkeit verbunden ist: Ich werde versetzt.«
    Er hörte im Hintergrund den Frankfurter Stadtverkehr. Sie saß offenbar auf dem Balkon, während sie telefonierten. Für einen kurzen Moment beneidete er sie um ihre Altbauwohnung im Westend und die paar Grad, die es in Frankfurt wärmer war als hier.
    »Weit weg?« Bremer hob die Wasserpistole und hielt Nemax mit einem gezielten Strahl davon ab, die frisch gesetzten Salatpflanzen aus dem Boden zu scharren.
    Karen seufzte wieder. Dann sagte sie es ihm.
    Bremer horchte in sich hinein. Zu seiner eigenen Verblüffung waren seine Gefühle eindeutig: Er freute sich nicht über die frohe Botschaft. Im Gegenteil: Er war wütend auf Karen. Anne war unterwegs und würde so bald nicht wiederkommen. Und seine beste Freundin machte sich aus dem Staub wegen ein paar Mäusen mehr im Monat. Er fühlte sich unendlich verlassen.
    »Die Aufstiegsmöglichkeiten in unserem Beruf sind begrenzt, das weißt du. Ich bin schon viel zu lange in Frankfurt. Es ist meine letzte Chance.« Karen klang, als ob sie sich verteidigen müsse. Mußte sie auch, fand Bremer.
    »Und Gunter?«
    »Dem ist es im Prinzip egal, wo er bei seinen Flügen einen Zwischenstopp einlegt.« Auch das hörte sich nicht ekstatisch an. »Ich treffe ihn nachher. Wahrscheinlich zum letzten Mal.«
    »Ich glaube, du hast dich längst entschieden.«
    »Ja.« Und, nach einer Pause: »Paul? Ich vermisse dich.«
    Dann komm doch her, wollte er sagen. Erst reden wir darüber, und später machen wir einen Roten auf, sitzen bis Mitternacht vor dem Kamin und starren ins Feuer. Scheiß auf die Karriere. Scheiß auf deinen Lover, diesen Leichenaufschneider mit den kalten Händen, der dich nie wirklich geliebt hat.
    Er hatte das Telefon noch am Ohr, als sie längst aufgelegt hatte, und schreckte zusammen, als er eine Stimme hörte. Der Mann lehnte am Gartenzaun. Der Fotograf mit der Baskenmütze.
    »Entschuldigen Sie bitte …«
    Was wollte der Kerl? Weiter Salz in die Wunde streuen? Wie seine reizende Fernsehkollegin?
    »Wohnt hier nicht irgendwo Sophie Winter?« Der Mann versuchte gewinnend zu lächeln.
    »In der Siedlung«, sagte Bremer mürrisch. »Nach dem Ortsausgang rechts hoch.« Er wandte sich ab. Ohne Gruß.

10
    Sophie Winter blätterte um, nahm einen Schluck Wasser und hob den Blick. Da saß die vielköpfige Hydra: ihr Publikum. Eine auffällig farbenfroh gekleidete rothaarige Frau in einer der vordersten Reihen lächelte in sich hinein, sie schien sich an etwas Angenehmes zu erinnern. Zwei Reihen hinter ihr saß ein junges Mädchen vor lauter Anspannung kerzengerade auf dem Stuhl. Der ältere Mann in der ersten Reihe hatte die Augen geschlossen, als ob er sich ganz auf ihre Worte konzentrieren wollte. Aber die meisten Zuhörer schauten ihr zu, während sie las, als ob es für die Wirkung ihrer Worte wichtig wäre, wie sie aussah, während sie sie aussprach.
    Sophie senkte den Blick und las weiter. Sie mußte nicht hinschauen. Sie spürte die Stimmung auch so: ob ihre Zuhörer gespannt waren. Amüsiert. Oder gelangweilt und abweisend. Noch schienen alle mitzugehen. Ihre Stimme füllte mühelos den Raum; er war nicht sehr groß, aber bis auf den letzten Platz besetzt. Man hatte ihr einen roten Sessel hingestellt, ein Tischchen mit einem Glas Wasser und einer Leselampe. Auf ein Mikrofon hatte sie verzichtet, der Lesesessel stand auf einem Podest, und ihre Stimme trug bis in die hinterste Ecke.
    Es war seltsam, wie anders sie sich fühlte, ganz anders als noch heute mittag. Wenn sie las, wußte sie, wer sie war. Und nun fühlte sie sich in ihrem Element.
    Sie blickte auf. Sie hatte sich angewöhnt, das regelmäßig zu tun, um zu zeigen, daß sie den Kontakt mit ihrem Publikum suchte, das, wie immer, in der Mehrzahl weiblich war. Ein Liebesroman war nun mal nichts für Männer.
    Als sie zu schreiben anfing, hatte sie in solchen Kategorien nicht gedacht. Liebesroman? Thriller? Krimi? Die Geschichte mußte raus, das war alles. Erst später hatte sie nach einem Verlag gesucht und kaum zu hoffen gewagt, einen zu finden. Unbekannte Autorin sendet unverlangtes Manuskript ein, und schon der

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