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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Wiesinger bei ihrer ersten Begegnung wesentlich reservierter erlebt hatte. Auch Andi Wiesinger schien der Auftritt seiner Frau nicht recht zu sein. Er räusperte sich übertrieben und sagte: »Wenn du dich extra hierher bemüht hast, Schatz, kannst du Herrn Flemming zur Pforte begleiten. Wir sind fertig für heute.« Mit unterkühlter Miene drückte er Pauls Hand und ließ die beiden stehen.
    Doro Wiesinger sah ihrem Mann nach, blickte dann Paul an, presste die Lippen zusammen und kicherte wie ein Teenager. »Ist er nicht süß?«, fragte sie. »Man könnte fast meinen, Andi sei eifersüchtig.«
    Paul sah betreten zu Boden. Er fühlte sich unwohl in seiner Haut. Keinesfalls wollte er Gegenstand eines Familienzwistes werden. Und auf eine flirtende Doro Wiesinger war er weder eingestellt noch besonders scharf. Stattdessen nutzte er die unverhoffte Gelegenheit, durch seine Begleiterin womöglich doch noch einen Blick hinter die Kulissen der Wurstfabrikation werfen zu können.
    »Ihr Mann wollte mich leider nicht hineinlassen«, begründete er offen seinen Wunsch.
    Doro Wiesingers tiefschwarze Augen musterten ihn interessiert. »Die Hygienevorschriften sind sehr streng.«
    »Ich möchte ja nichts anfassen. Nur gucken«, schmeichelte Paul.
    »Ohne Desinfektion und Schutzkleidung kommt man nicht in die Nähe der Produktion.«
    »Soll mir recht sein.«
    Doro Wiesinger schien mit sich zu hadern, gab sich aber einen Ruck. In rasantem Tempo stolzierte sie durch die neonweißen Gänge. Paul hatte Mühe ihr zu folgen. Sie dirigierte ihn in eine Umkleidenische, wo er einen weißen Überzug, eine transparente Haarhaube, Schuhüberzieher und Mundschutz anlegen musste. Sie selbst schlüpfte mit lässiger Routine in die Schutzkleidung und führte Paul zu einer Art Schleuse, auf deren Boden mehrere rotierende Rollen angebracht waren. Seine Begleiterin erläuterte, dass es sich um die Desinfektionsstraße handele, und ließ sich, an Laufstangen abgestützt, über die Rollen gleiten. Sie waren mit einer Flüssigkeit getränkt, deren Geruch Paul unangenehm in der Nase biss.
    Die nächste Station war ein kastenförmiger Aufbau, der Paul an einen Geldautomaten erinnerte. Zumindest verfügte er über einen ebensolchen, wenn auch größeren Schlitz. Doro Wiesinger schob nacheinander ihre Hände hinein. Paul tat es ihr nach und fühlte eine leichte Erwärmung seiner Haut.
    »Ihre Hände sind jetzt keimfrei«, erklärte Doro Wiesinger.
    Anschließend gelangten sie durch eine Schwingtür in eine gewaltige, taghell erleuchtete Halle. Fasziniert blickte Paul auf ein weit verzweigtes, über mehrere Etagen reichendes System von Förderbändern, die mit hellem Surren bei hoher Geschwindigkeit liefen. Es war kühl in der riesigen Fabrikhalle, und soweit Paul sehen konnte, waren er und Doro Wiesinger allein.
    Seine Begleiterin machte keine Anstalten ihn aufzuhalten, als er näher an die Förderbänder herantrat: Würstchen in verschiedenen Stadien ihrer Weiterverarbeitung rasten an ihm vorbei. Nackt und bleich schossen sie über die Förderbänder und verschwanden zwischendurch immer wieder für einige Sekunden in einer Maschine. Einige wenige aus der ungeheuren Masse wurden vollautomatisch ausgesondert, landeten auf schmalen Nebenbändern. Die anderen teilten sich in schnell dahingleitende Ströme auf, wurden luftdicht verschweißt oder verließen die Halle über ein anderes Band, vielleicht, um irgendwo in diesem komplexen System in Dosen gefüllt zu werden, dachte sich Paul.
    »Wohin gehen die Würstchen?«, fragte er über die surrenden Bänder hinweg.
    »Etwa ein Fünftel ist für den heimischen Markt bestimmt, der große Rest wird exportiert.«
    »So viel geht ins Ausland?«
    »Aber ja. Wiesinger-Würste finden Sie auf den Frühstücksbüfetts fast aller internationalen Hotels, wo wir die britischen Sausages längst verdrängt haben. Wir beliefern Peking genauso wie Moskau oder Brüssel. Die Ware wird vorgebrüht und -gebraten, vakuumverpackt oder schockgefroren bei minus achtzehn Grad. Und dann geht’s auf Weltreise.«
    Paul ließ die futuristisch anmutende Fertigungsmaschinerie noch eine Weile auf sich wirken, bevor er fragte: »Was ist denn alles drin in Ihrer Wurst?«
    »Schweinefleisch. In gleichen Teilen Schlegel, Backen, Bauch. Und natürlich unsere geheime Gewürzmischung.«
    Paul deutete auf die Bänder: »Ich sehe hier nur die fertigen Würste. Wo verarbeiten Sie denn die Rohstoffe?«
    Doro Wiesinger hakte sich bei Paul ein und

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