Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
ist dieser Heinlein . . .«
»Henlein«, verbesserte Paul sie.
»Meinetwegen auch Henlein. Er ist sicherlich zu schnell gefahren. Oder er hat sich durch irgendetwas ablenken lassen. Oftmals sind es die kleinen Fahrlässigkeiten, die Unfälle wie diesen verursachen.« Sie straffte die Schultern und sagte resolut: »Aber auf jeden Fall ist das keine Sache für die Nürnberger Staatsanwaltschaft. Ich kann dir da also nicht weiterhelfen.«
Paul hob erstaunt die Brauen. Er wusste, dass seine dunkelbraunen Augen so stärker zur Geltung kamen. »Vielleicht ist es aber doch ein Fall für euch«, sagte er gewinnend.
Katinka beugte sich vor. Leise, aber entschieden fragte sie: »Immer wenn du diesen speziellen Blick aufsetzt, bin ich auf eine böse Überraschung gefasst. Also, was hast du nun schon wieder ausgefressen?«
Paul erzählte ihr von Henleins Aktentasche und seinem misslungenen Versuch, sie ordnungsgemäß den Behörden beziehungsweise der Witwe zu übergeben. Er berichtete von seinen Überlegungen darüber, was er mit dem Hauser-Hemd anfangen sollte. Dabei sparte er auch nicht die unschöne Szene bei Blohfeld aus, die darin gegipfelt war, dass sich der Reporter einen Fetzen des Hemdes einfach herausgeschnitten hatte.
Katinka reagierte erwartungsgemäß ungehalten. Wegen seiner sträflichen Eigenmächtigkeit machte sie Blohfeld schwere Vorwürfe, sparte aber auch nicht mit Kritik an Paul: »Wenn du wirklich vorgehabt hast, die Tasche abzugeben, hättest du sicherlich eine Möglichkeit dafür gefunden!«
»Aber ich habe es doch wirklich versucht«, beteuerte Paul seine Unschuld.
»Du hättest auf dem schnellsten Weg zum Polizeipräsidium fahren sollen und die Angelegenheit aufklären müssen, anstatt alles diesem Schmierenreporter zuzuspielen.« Katinkas Wangen glühten. »Du kannst froh sein, dass es sich bei Henleins Tod um einen gewöhnlichen Unfall handelt, sonst könnten meine Ansbacher Kollegen dich unter Umständen noch wegen Unterschlagung von Beweismitteln drankriegen.«
»Schon gut, schon gut. Ich habe ja verstanden.« Paul sah schuldbewusst zu Boden.
Im nächsten Moment spürte er Katinkas zarte Finger, die ihm durchs Haar strichen. »Nichts ist gut, und das weißt du genau«, sagte sie sehr sanft.
Paul fragte sich, ob sich diese Bemerkung noch auf den Fall Henlein oder bereits auf das nächste fällige Thema bezog, als Marlen ihre traute Zweisamkeit störte.
»Einmal die saure Karpfensuppe mit Bauernbrot frisch aus dem Ofen«, sagte sie freundlich, »und der halbe gebackene Karpfen mit hausgemachtem Kartoffelsalat.« Dazu servierte sie die Getränke.
Katinka wartete, bis Marlen außer Hörweite war, bevor sie den Faden wieder aufnahm: »Du weißt von meinem Ruf nach Berlin?«
Paul stieg der köstliche Duft des Karpfens in die Nase. Goldgelb gebacken lag er auf seinem Teller und schien nur darauf zu warten, dass Paul die krosse Haut und das butterweiche Fleisch von den Gräten löste. Aber irgendwie hatte er überhaupt keinen Appetit mehr.
»Es war ganz sicher keine Initiativbewerbung von mir, sonst hätte ich dir längst davon erzählt«, redete Katinka weiter. »Aber offenbar schätzt man meine Arbeit an höherer Stelle.«
Paul drehte die verlockend abstehende Rückenflosse des Karpfens heraus und begann, nervös an ihr herumzuknabbern.
»Für mich bedeutet Berlin einen ganz großen Karrieresprung«, fuhr Katinka fort, ohne ihre verheißungsvoll dampfende Suppe anzurühren. »Ich verbessere mich im Gehalt ebenso wie im Ansehen. Eine solche Chance werde ich kein zweites Mal bekommen.«
»Katinka«, sagte Paul und legte die Flosse wieder beiseite. »Ich weiß, was du von mir erwartest.«
»Von dir?« Katinka lächelte gekünstelt. »Gar nichts erwarte ich von dir.«
»Doch, das tust du«, sagte Paul, »aber ich muss offen gestehen, dass ich bisher noch nicht genügend Zeit gehabt habe, darüber nachzudenken.«
»Ich bitte dich, Paul.« Katinka nahm ein Stück Brot und tauchte es in ihre Suppe. »Du musst über nichts nachdenken. Du lebst dein Leben, und ich lebe meins.«
»Katinka – bitte: Lass uns doch einfach vernünftig darüber reden«, sagte Paul und griff erneut nach ihrer freien Hand. Doch diesmal war Katinka schneller und entzog sie ihm.
»Wir reden doch vernünftig.« Sie biss in ihr mit Suppe vollgesogenes Brot. »Ganz schön heiß.«
»Du kannst nicht einfach davon ausgehen, dass ich deiner Karriere zuliebe meine berufliche Laufbahn in Nürnberg Knall auf Fall beende«,
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