Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
kurzes Kleid. »Morgen«, sagte sie mit merklicher Ungeduld. »Ich dachte schon, Sie wären nicht da.«
»Doch«, sagte Paul und musterte die adrette Besucherin. »Was gibt‘s?«
»Meine Freundin hat mir Ihre Adresse gegeben. Sie hat sich neulich von Ihnen knipsen lassen und hat kaum was dafür bezahlt. Ich weiß ja nicht, was Sie als Gegenleistung erwarten, aber Ihre Bilder sind echt scharf. Ich will auch welche von mir.«
»Möchte bitte«, sagte Paul süffisant.
Die schöne Besucherin sah ihn fragend an.
»Es heißt nicht › ich will ‹ , sondern › ich möchte bitte ‹ «, sagte Paul, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Hey, was soll das? Sind Sie jetzt Fotograf oder nicht?« Die Schwarzhaarige stampfte mit den spitzen Absätzen ihrer Pumps auf.
»Tut mir leid«, sagte Paul mit aufgesetzt bedauerndem Blick. »Ich bin zur Zeit restlos ausgebucht. Vielleicht versuchen Sie es bei einem Kollegen.«
»Bei welchem Kollegen?«, fragte die junge Dame verständnislos. Dann war Pauls Absage offenbar bei ihr angekommen, denn sie kniff die Augen zusammen und sagte: »Für einen Typen, der aus sieht wie George Clooney, sind Sie aber ziemlich uncool.«
»Wie darf ich das bitte verstehen?«, gab Paul beißend zurück.
Die schlanke Schöne beugte sich vor und gewährte einen Blick in ihr Dekolletee: »Das Leben ist keine Probe, Herr Flemming. Es findet nur ein Mal statt.« Mit diesem Satz drehte sie sich um und stolzierte die Treppe hinunter.
Paul blieb einigermaßen verdutzt zurück. Die junge Frau war ihm – zumal zu dieser frühen Stunde – zwar reichlich egal, aber ihr letzter Spruch gab ihm doch zu denken. Das Leben war keine Probe?
Unwillkürlich musste er an Katinka denken. Seit ein paar Tagen hatte er sich über das Thema Berlin keine Gedanken mehr gemacht. Der Fall Hauser war ihm wichtiger erschienen. Aber durfte er sich dieses Desinteresse an Katinkas Karriereplänen leisten, wenn er mit ihr zusammenbleiben wollte? Oder war er gerade dabei, seine eigene private Zukunft zu verspielen?
Als Paul eine knappe Stunde später vor dem Germanischen Nationalmuseum stand, hatte er sein persönliches Dilemma vorerst ausgeblendet. Die Berlin-Frage musste – einmal mehr – warten. Er war einfach noch nicht bereit dazu, sich der anstehenden Entscheidung zu stellen. Ob er Katinka begleiten würde oder nicht – er wollte das Thema nicht an sich heranlassen. Noch nicht jedenfalls.
Das lichtdurchflutete Foyer des Museums war zu dieser frühen Stunde noch verwaist. Die Kassiererin richtete sich hinter ihrem eleganten Tresen gerade erst für das Tagesgeschäft ein, als sich Paul näherte und eine Eintrittskarte verlangte.
»Was möchten Sie sich denn ansehen?«, fragte die Frau ernst. Sie sah aus wie eine strenge Lehrerin.
»Die Waffenabteilung«, sagte Paul und ärgerte sich im selben Moment über seine Leichtfertigkeit.
»Tut mir leid. Diese Abteilung ist zur Zeit aus technischen Gründen geschlossen.«
»Aus technischen Gründen . . .«, sinnierte Paul. »Kann ich nicht wenigstens einen kurzen Blick hineinwerfen?«
»Nein.« Die resolute Antwort der Kassendame war eindeutig.
»Okay, dann bitte ein normales Ticket, ganz ohne Sonderwünsche«, sagte Paul, wobei er sich sicher war, dass der Frau die Ironie seiner Bestellung entging.
Dann machte sich Paul endlich auf den Weg durch den riesigen Museumskomplex, aber er hatte wenig Hoffnung, sein eigentliches Ziel zu erreichen. Eine geschlossene Abteilung zu besuchen, war in einem so gut gesicherten Museum wie dem GNM schier unmöglich. Zumindest, wenn man keinen menschlichen Türöffner vom Schlage eines Blohfelds bei sich hatte. Überall Alarmanlagen, Kameraüberwachung – was versprach er sich eigentlich von seinem Alleingang?
Paul passierte gerade den Ostflügel, als er auf eine Schulklasse traf. Zwanzig oder fünfundzwanzig ziemlich quirlige Teenager schlurften, liefen und hüpften an der Seite ihres sichtlich überforderten Lehrers durch den Flur. Ein Museumsführer ging voran.
Paul ließ die muntere Truppe amüsiert an sich vorbeiziehen, lächelte den Kids zu und verdrehte die Augen. Dann aber horchte er auf.
»Die Waffenabteilung ist zwar zur Zeit geschlossen«, hörte er den Museumsmann verkünden, »da euer Lehrer mir aber gesagt hat, dass ihr hauptsächlich wegen unserer Ritter gekommen seid, werden wir wenigstens einen kurzen Blick hineinwerfen. Bleibt aber bitte unbedingt hinter den Absperrungen und folgt meinen Anweisungen.«
Paul hatte ein
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