Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Spaß!«
»‘schuldige«, nuschelte Paul. »Aber die Indizien . . .«, versuchte er es nochmals.
Katinka warf demonstrativ einen Aktenordner auf den Tisch. »Ich will dir sagen, was die Indizien sagen: O.k., bei Henlein wissen wir mittlerweile, dass jemand nachgeholfen hat. Der große Unbekannte hat die Radmuttern gelöst – doch Hinweise auf Schrader gibt es natürlich nicht.«
»Aber beim Mord im Germanischen Nationalmuseum . . .«, fing Paul wieder an.
»Auch da gibt es nichts, was auf eine Beteiligung Schraders schließen lässt«, sagte Katinka resolut.
Paul biss sich auf die Lippen. Mit Blick auf die Akten in Katinkas Händen fragte er: »Ist darin auch der Autopsiebericht abgeheftet?«
»Der über Dr. Sloboda?«, fragte Katinka misstrauisch.
Paul nickte. »Genau der. Lies mal vor.«
»Und was versprichst du dir davon?«, fragte Katinka seufzend.
»Jetzt lies, bitte.«
Katinka straffte die Schultern. »Also gut – auch wenn dich das überhaupt nichts angeht«, sagte sie und fing an zu blättern. »Verletzungen Dr. Sloboda«, sie überschlug die ersten beiden Seiten des Berichts, »oberhalb der Stirn klafft eine längliche Wunde, die wahrscheinlich von einem der ersten Hiebe mit dem Schwert herrührt. Teile der Kopfhaut platzten ab und verklebten mit Haarbüscheln. Die Verletzung über der Augenbraue könnte vom zweiten Schlag auf den Kopf verursacht worden sein: Gesichtsknochen verschoben sich; beim Herausziehen der Schneide verhakte sich die Klinge, wodurch gezackte Löcher in die Haut gerissen wurden. Weitere Wunden wurden an Armen und Schulter festgestellt.« Katinka sah kurz auf, las dann aber gleich darauf weiter. »Beide Kopfwunden wie auch die übrigen am Rumpf und an den Extremitäten sind eindeutig der gleichen Waffe zuzuordnen. Beim zweiten Treffer am Kopf drang die Schneide so tief ein, dass das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde: Eine Venenverletzung führte zu inneren Blutungen, die letztendlich tödlich waren. Dennoch hatte das Opfer noch die Kraft, sich zu schützen: Darauf deuten weitere Verletzungen hin, die beide Hände aufweisen.« Wieder blickte Katinka auf. »Schlussendlich führten die beiden Schläge auf den Kopf zum Tod.«
»Sonst noch etwas über den Tathergang?«, fragte Paul mit sanftem Drängen.
Katinka sah ihn scheel an, bevor sie sich widerwillig noch einmal über die Akte beugte. »Das Opfer stand aufrecht, als die ersten Hiebe es trafen. Sein Kopf war leicht nach links geneigt. Der Täter stand wahrscheinlich rechts von ihm; das Opfer konnte ihn im Moment des Angriffs nur aus den Augenwinkeln sehen. – Die wuchtigen Hiebe wurden in einer bogenförmigen Bewegung von oben ausgeführt und lassen Rückschlüsse auf Größe und Statur des Täters zu: circa einen Meter fünfundachtzig, kräftig.«
»Siehst du«, sagte Paul triumphierend. »Baulöwe Schrader ist ebenfalls kräftig gebaut und groß.«
»Genauso wie ungefähr ein Viertel der männlichen Bevölkerung Nürnbergs«, fügte Katinka sarkastisch hinzu.
»Wie sieht es dann mit Schraders Polier aus, von dem ich dir erzählt habe? Als gedungener Killer könnte er . . .«
»Jetzt mach dich nicht lächerlich«, sagte Katinka. »Es tut mir ja leid, dass man dich in die Pegnitz geschmissen hat, aber auf dem Bau herrschen nun einmal raue Sitten.«
»Eine so hinterhältige Tat rechtfertigst du? Du bist mir ja eine tolle Vertreterin der Anklage!« Paul gab sich Mühe, einigermaßen empört zu klingen, musste aber inzwischen selbst über sich schmunzeln.
Katinka sah ihn liebevoll an. »Paulchen, du musst zugeben, dass wir einfach zu wenig in der Hand haben, um eine hochrangige Persönlichkeit wie Herrn Schrader oder einen imaginären Helfershelfer in irgendeiner Form belasten zu können. Der Oberstaatsanwalt würde meine Vorladung für Schrader in klitzekleine Stücke zerreißen und mich gleich dazu.«
»Aber ich habe es auf der Baustelle doch selbst gehört«, hob Paul zu einem letzten Protest an. »Da geht es um Millionen! Jede Verzögerung des Baus wäre eine Katastrophe. Und wenn Henlein wirklich mit seinen Grundstücksansprüchen . . .«
Katinka winkte ab. »Selbst wenn Henlein ein echter Patrizierspross gewesen sein sollte, wäre eine Entschädigung oder gar eine Rückgabe des Vermögens und der Grundstücke nach all den Jahren aus juristischer Sicht mehr als unwahrscheinlich gewesen. Denk nur an die Parallelen zur Rückgabe jüdischen Eigentums in den Folgen des Zweiten Weltkriegs oder an die vielen
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