Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
diese Sache schreiben, bevor die Staatsanwaltschaft nicht offiziell gegen Schrader ermitteln lässt.« Beinahe trotzig fügte er noch hinzu: »Schulden allein reichen als Mordmotiv nicht aus, die habe ich auch zur Genüge, seit ich mir ein sündhaft teures Parkett in meine Jugendstilwohnung hab legen lassen.«
»Sie ziehen also auch den Schwanz ein?«, provozierte ihn Paul.
Doch Blohfeld lächelte nur: »Ich habe ganz andere Probleme, mein Lieber: Wir kommen mit dieser Genanalyse im Fall Hauser einfach nicht weiter. Der Stofffetzen, den Sie mir freundlicherweise ohne Gegenwehr überlassen haben . . .«
»Sie meinen wohl: den Sie geklaut haben!«, unterbrach ihn Paul.
Blohfeld winkte ab. »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Jedenfalls ist er zu klein und enthält keine brauchbaren Spuren. Die wenigen darauf vorhandenen DNA-Fragmente sind unvollständig und für eine fundierte Analyse nicht geeignet. Deshalb möchte ich, dass Sie noch einmal für mich aktiv werden.«
»Und zwar wie?«, fragte Paul misstrauisch.
Der Reporter sah ihn eindringlich an: »Ich stehe mit der Hauser-Story an der Wand. Der Verlag hat das Geld für die Genanalyse vorgestreckt und will endlich Ergebnisse von mir sehen. Wir müssen deshalb zweigleisig fahren: Versuchen Sie, der Witwe das vollständige Hemd für eine eingehende Untersuchung abzuluchsen – lassen Sie Ihren Charme spielen.«
»Aber. . .«
»Außerdem wäre es gut, wenn Sie noch einmal diesen Götzenhändler am Trödelmarkt aufsuchen würden.«
»Zetschke? Wofür soll der denn gut sein?«
»Ich sagte doch schon: Wir müssen zweigleisig fahren. Rücken Sie ihm auf den Pelz, finden Sie heraus, ob er Henlein zum Narren gehalten hat und es sich bei dem Hemd nur um eine Fälschung handelt. Das würde dem Verlag nämlich viel Geld und mir eine Blamage ersparen.«
»Sie erwarten ernsthaft, dass er auspackt und die Wahrheit sagt?«, fragte Paul zweifelnd.
»Versuchen Sie es einfach. Drohen Sie damit, dass Sie andernfalls die Zeitung – also mich – einschalten und somit seinen ganzen Laden auffliegen lassen würden.«
»Also, ich weiß nicht«, zeigte sich Paul skeptisch. »Aber Sie sprachen von Zweigleisigkeit. Welchen Part übernehmen Sie dann dabei?«
Blohfeld legte seine Zigarre beiseite. Dann sagte er sehr ruhig und in überzeugendem Ton: »Sie helfen mir, und ich helfe Ihnen. Ich spüre ja, dass Ihnen der Verdacht gegen Schrader keine Ruhe lässt – vor allem nicht nach Ihrem blamablen Sturz in die Pegnitz. Sie wollen Genugtuung, und das ist nur allzu verständlich. Und ich werde mich für Ihre Dienste revanchieren, indem ich mich mit Herrn Schrader treffe. Unter einem harmlosen Vorwand natürlich, aber ich verspreche, ich werde mich vorsichtig zum Thema Franziskanerhof Vorarbeiten und gewisse Andeutungen machen, was die Vorbesitzer des Grundstückes anbelangt. Wenn er etwas auf dem Kerbholz hat, werde ich es an seiner Reaktion merken.«
»Das ist ein fairer Deal«, sagte Paul. Dann fügte er mit plötzlicher Sorge hinzu: »Seien Sie aber vorsichtig. Zwei Tote sind mehr als genug.«
Blohfeld grinste selbstbewusst und wollte gerade zu weiteren Ausführungen ausholen, als die unscheinbare Volontärin sein Büro betrat. Sie trug einen Stoß Computerausdrucke unterm Arm.
»Was gibt es?«, fragte der Reporter gereizt. »Ich kann jetzt keine Störung gebrauchen.«
Die Volontärin rückte nervös ihre Brille zurecht. Dann räusperte sie sich und sagte mit aufgesetzt selbstsicherer Stimme: »Ich habe meine Recherchen beendet, Herr Blohfeld.«
»Von welchen verdammten Recherchen reden Sie?«, fuhr er sie an.
»Die Sache Henlein«, sagte die junge Frau jetzt wieder eingeschüchtert und strich sich unsicher durch ihr kurzgeschnittenes Haar. »Sie wollten doch mehr über diese Amnesie wissen.«
»Das ist jetzt völlig egal«, schimpfte Blohfeld, »das hätte mich vor ein paar Tagen interessiert, aber bei Ihrem Tempo . . .«
»Augenblick mal«, unterbrach ihn Paul. »Was haben Sie denn herausbekommen?«
Die Volontärin sah Paul erstaunt an. Dann schaute sie Blohfeld an, der mittlerweile zustimmend nickte, und wieder zurück auf Paul. Sie legte ihre Ausdrucke auf den Tisch und griff eines der Blätter heraus. »Ich habe ziemlich viel über ähnliche Phänomene wie das bei Herrn Henlein festgestellte gelesen, aber am überzeugendsten erschien mir die Erklärung der implantierten Erinnerung.«
»Und was soll das nun wieder für ein Unfug sein?«, platzte Blohfeld
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