Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Wunder, dass Sie nicht im Knast sitzen, so ganz ohne Anwalt. Dafür können Sie ihr wirklich dankbar sein. . .«
Paul horchte auf: »Was sagten Sie da gerade? Wem soll ich dankbar sein?«
Blohfeld und Hannah tauschten einen hektischen Blick aus. Dann senkten beide synchron den Blick auf die Tischplatte.
In Paul schwelte schon länger ein bestimmter Verdacht, aber bislang hatte er ihn erfolgreich unterdrücken können. »Wer ist › sie ‹ ?«, fragte er leise, aber bestimmt.
»Können Sie sich das nicht denken?«, grummelte Blohfeld ohne aufzusehen.
Natürlich konnte er das. Doch er war angesichts der unerwarteten Enthüllung nicht sicher, ob er sich darüber freuen oder sauer sein sollte.
»Eigentlich wollte sie ja nicht, dass Sie es erfahren«, sagte Hannah mit giftigem Seitenblick auf Blohfeld. »Aber da Sie es nun wissen, dürfen Sie Mama ruhig ein bisschen loben. Hätte sie nicht sofort ihre alten Kontakte spielen lassen, säßen Sie jetzt bestimmt in U-Haft im Knast an der Mannertstraße.«
»Oder in Guantánamo«, wurde Blohfeld wieder vorlaut.
Katinka hatte sich also trotz allem persönlich für ihn eingesetzt. Paul konnte nur darüber mutmaßen, was ihre Beweggründe dafür gewesen waren: Alte Verbundenheit oder ein letzter Rest von Liebe? Jedenfalls hatten Hannah und Blohfeld vollkommen recht: Er war Katinka zu Dank verpflichtet.
»Na ja«, sagte Blohfeld in seiner selbstgefällig süffisanten Art: »Da wir gerade beim Bedanken sind: Ein kleines Merci wäre auch für die Hinterlegung Ihrer Kaution angebracht.«
Pauls Kinnlade klappte herunter. Kaution? Er war nur auf Kaution frei? Seine Lage war also noch weitaus ernster, als sie ihm ohnehin schon vorgekommen war. Ungläubig starrte er den Reporter an: »Haben Sie etwa für mich . . .«, stammelte er.
Blohfeld sah ihn einen Augenblick lang genauso verdutzt an wie Paul ihn. Dann lachte er schallend und schlug mit der Hand auf den Tisch: »Was sagen Sie da? Ich?« Wieder lachte er. »Bei aller Kollegialität – für mein mageres Salär weiß ich eine bessere Verwendung, als Ihnen aus der Patsche zu helfen.«
»Ihre Eltern waren es«, lüftete Hannah das Geheimnis. »Katinka hat sie informiert und die Formalitäten für sie erledigt.«
»Meine Eltern«, wiederholte Paul noch immer staunend. Hertha und Hermann hatten also für ihn gebürgt. Und sogar Geld für seine Freiheit hinterlegt. Paul mochte es kaum glauben. Dann schalt er sich für seine Verblüffung. Welche Eltern würden anders handeln, wenn es um die Freiheit ihres Kindes ging?
Was blieb, war ein Gefühl der Rührung. Den Kniefall der Dankbarkeit beschloss er dennoch auf den nächsten Tag zu verschieben.
7
Paul trug einen weißen Bademantel und an den Füßen schwarze Schwimmflossen. Über seine Stirn spannte sich eine Taucherbrille, die er nach oben geschoben hatte, um die vor ihm liegende Aufgabe besser ermessen zu können. In der rechten Hand hielt er ein bereits zur Hälfte geleertes Bierglas.
Es war früher Nachmittag, und während Paul auf die mit Blättern und anderem Schmutz übersäte Wasserfläche des Pools hinabblickte, gelangte er zu dem Schluss, dass es viel zu tun gäbe: am Swimmingpool, in Haus und Garten und wohl auch bei seinen Eltern im Allgemeinen.
»Willst du nicht endlich hineinspringen und nachschauen, woran es liegt, dass die Pumpe nicht funktioniert?«
Hertha hatte sich zu ihm gesellt und fixierte einen auf dem Wasser treibenden Blätterhaufen. Er hatte seine Mutter seit längerem nicht gesehen; die Fahrt nach Herzogenaurach unternahm Paul nicht öfter als unbedingt nötig. Dabei war die Entfernung – gerade mal fünfundzwanzig Kilometer – nur eine dünne Ausrede für Paul, um Situationen wie dieser aus dem Weg zu gehen.
Hertha, eine mittelgroße Frau mit schwarz gefärbter Dauerwelle, dunklen, durch Mascara betonten Augen und einem schmallippigen Mund, deutete gebieterisch auf den Pool: »Der Sommer steht vor der Tür. Du hättest dich viel früher darum kümmern sollen. Überhaupt lässt du dich zu selten bei uns sehen.«
»Mutti«, hob Paul an und schaffte es, den Blick seiner Mutter für einen Moment auf sich zu lenken. Das bereute er allerdings im nächsten Augenblick.
Hertha Flemming musterte ihn streng: »Du bist schon wieder grauer geworden an den Schläfen«, stellte sie missbilligend fest. Dann wanderte ihr Blick langsam hinab. »Hast du zugenommen?«, fragte sie vorwurfsvoll. »Du treibst zu wenig Sport, Bub! Und Bier am frühen Nachmittag
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