Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
breitbeinig über ihm, zückte ihre Dienstmarke und hielt sie selbstbewusst in die Höhe, woraufhin die Jugendlichen den Kampf vollends aufgaben und sich trollten.
Obwohl sich Paul im wahrsten Sinne des Wortes niedergeschlagen fühlte und die Scheune so schnell wie möglich verlassen wollte, war er so geistesgegenwärtig, den letzten der flüchtenden Angreifer am Hosenbein zu fassen und aufzuhalten.
»Woher bekommt ihr euren Stoff?«, fragte er den Jungen scharf. »Ich will den Namen eures Dealers hören!«
Der Jugendliche versuchte, sein Hosenbein zu befreien, Was Paul nicht zuließ. »Ach, leck mich doch!«, blaffte der Festgehaltene. »Der Typ heißt Jo!«
»Jo? Und weiter?«
»Jo Weiß. Aber jetzt lass mich endlich los!«
Das tat Paul, und Jasmin, die ein paar Schritte entfernt stand und die letzten aufmüpfigen Jugendlichen in ihre Schranken wies, ließ ihn gewähren.
»Das hätte ins Auge gehen können«, sagte sie leicht aus der Puste, als sie kurz darauf wieder zu ihm trat. »Warum treibst du dich hier eigentlich herum?«
»Ich war eingeladen«, spielte Paul den Arglosen und rappelte sich auf. Er stöhnte, denn jeder seiner Knochen tat ihm höllisch weh.
»Eingeladen von wem?«
»Von einem meiner Modelle. - Und du?«
»Ich bin im Dienst und war bis vor wenigen Minuten undercover. Nach diesem Zirkus kann ich eine verdeckte Ermittlung allerdings vergessen«, sagte sie säuerlich. Dann milderte sich die Schärfe ihres Tons: »Brauchst du einen Arzt?«, erkundigte sie sich mit besorgtem Blick auf seine Blessuren.
»Nee, eher ein weiches Bett und ’ne Mütze voll Schlaf. Dank deines Einschreitens konnten diese Freizeitschläger keine bleibenden Schäden bei mir anrichten. Hoffe ich zumindest.«
9
Es war nicht länger die Aussicht auf ein Honorar, die ihn antrieb, als Paul am nächsten Morgen abermals ins Herz des Knoblauchslandes fuhr, um den Vorschlag von Großbauer Deuerlein aufzugreifen. Nein, es ging ihm nach den Eindrücken der letzten Tage darum, seine wachsende Neugierde über das anscheinend gar nicht so unspektakuläre Leben der Knoblauchsländer zu befriedigen. Dafür würde er Interesse an dem ihm angebotenen Fotoauftrag zeigen und Deuerlein bei dieser Gelegenheit aushorchen. Das fand er nicht nur vielversprechend, sondern auch allemal sicherer, als sich mit dem ominösen Jo Weiß zu befassen. Das wollte er nach den schmerzhaften Erfahrungen der vergangenen Nacht doch lieber Jasmin und ihren waffentragenden Jungs überlassen, die sein Mitmischen ohnehin nicht dulden würden. Bei nächster Gelegenheit würde er ihr auch Jos Namen mitteilen. Gestern Abend war sie zu schnell verschwunden, heute früh hatte er sie nicht mehr zuhause und noch nicht im Büro erreichen können.
Deuerlein, den er telefonisch über sein Kommen informiert hatte, erwartete Paul bereits. Er stand mit verschränkten Armen vor einem seiner futuristisch anmutenden Gebäudekomplexe aus Glas und Stahl, der auch nach mehrmaliger Betrachtung einen herben Gegensatz zu der betulichen Nostalgie der sonstigen Landwirtschaft bildete und an den sich Paul einfach nicht gewöhnen konnte. Anmerken ließ er sich das freilich nicht.
»Ich freue mich, dass Sie mein Angebot annehmen wollen«, sagte Deuerlein zur Begrüßung. Sein wohlwollendes Lächeln trübte sich, als er Paul die Hand drückte. »Sagen Sie: Hatten Sie einen Unfall?«
»Ach, Sie meinen die Pflaster und das Veilchen? Ja, man könnte es einen Unfall nennen. Aber keine Sorge: Es sieht schlimmer aus, als es ist.« Und rasch fügte er hinzu: »Angenommen habe ich Ihren Auftrag noch nicht. Vorläufig möchte ich mich nur umschauen.«
»Nun gut. Dann lassen Sie uns einen kleinen Rundgang durch meine Tomatenfarm unternehmen!«
»Gern«, sagte Paul und war froh, dass es Deuerlein bei dieser einen Frage nach seinen Blessuren hatte bewenden lassen, denn er wollte sich dem Bauern gegenüber nicht erklären müssen. Er rutschte den Tragegurt seiner schweren Fototasche zurecht, unter dem er begonnen hatte zu schwitzen.
Obwohl Paul nicht zum ersten Mal ein modernes Gewächshaus von innen sah, staunte er über den Hightech-Dschungel, der sich vor ihm in nie geahnten Dimensionen ausbreitete und ihn an die Biosphäre einer Raumstation aus einem Science-Fiction-Film denken ließ: Riesige, zehn oder sogar fünfzehn Meter lange Tomatenpflanzen schlängelten sich dicht an dicht um dünne, von der Decke herabhängende Rankgitter. Zwischen dem satten Grün der Stränge und Blätter
Weitere Kostenlose Bücher