Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
abrupt um und ließ Hannah stehen.
Paul verließ seine vorgetäuschte Raucherposition im Halbdunkel. »Nicht schlecht fürs Erste, Frau Juniordetektivin«, lobte er Hannah.
Doch diese stampfte wütend mit dem Schuh auf. »Von wegen! Das Mädel hätte ’ne erstklassige Quelle abgegeben, aber ich habe sie vergrault.«
»Ich finde, du hast eine Menge aus der Kleinen herausgeholt. Mein Kompliment war aufrichtig.«
»Ach, was! Da ist mehr drin. Ich mische mich noch mal unters Partyvolk und höre mich um. Wäre doch gelacht, wenn wir Friedas kleine und große Geheimnisse nicht lüften könnten.«
Voller Elan ging sie zurück in die Scheune. Paul blieb zunächst an Ort und Stelle und dachte, dass dies vielleicht tatsächlich der passende Moment für eine Zigarette wäre. Aber er war nun seit über 40 Jahren ohne Nikotin ausgekommen und würde es wohl auch die zweite Hälfte seines Lebens so halten.
Stattdessen genoss er eine Weile die allmählich kühler werdende Abendluft, betrachtete das Abendrot über den Äckern, Feldern und Wiesen und folgte dann Han- nah zurück in die Scheune. Auf in den Kampf!, dachte er, als er dem Wummern der Bässe, der alkoholgetränkten Luft und dem Lärm der Dorfjugend entgegentrat, deren Körper in den Lichtblitzen von Stroboskopen zuckten.
Paul kam in dem anschwellenden Gedränge kaum voran, geriet versehentlich auf die Tanzfläche und gewann den Eindruck, mitten in einer Gruppe Vorschüler auf einem Kindergeburtstag zu stecken. Denn wie auf Kommando begannen die Teenies alle ein Spiel, für das Paul nur ein Wort finden konnte: albern.
Die Mädchen sprangen auf die Rücken der Jungs, die ihnen am nächsten standen, klammerten sich fest, hielten ihnen mit beiden Händen fest die Augen zu und trieben sie zum Weitertanzen an. Huckepack ritten sie auf ihren zweibeinigen Gäulen über den lehmigen Boden, jauchzten vergnügt und riefen ihren Auserwählten ins Ohr: »Wer bin ich? Wer bin ich?«
Ehe sich Paul versah, wurde auch er zum Packesel. Ein graziles Wesen kletterte an ihm empor wie ein Äffchen und schwang sich auf seine Schultern. Schmale Finger legten sich auf seine Lider.
»Rate, wer ich bin!«, befahl eine jugendliche Stimme.
»Was soll das?«, fragte Paul und versuchte, die Hände des Mädchens beiseitezuschieben.
»Du sollst meinen Namen raten, dann bist du frei und darfst mich küssen.«
»Ich will dich nicht küssen«, sagte Paul ärgerlich.
»Rate meinen Namen! So sind die Regeln.« Das drahtige Geschöpf verstärkte seinen Klammergriff. Auch ihre Schenkel pressten nun stärker gegen seinen Hals.
»Also gut: Kirsten, Kerstin, Cornelia?«
»Nein, falsch, falsch, falsch!«
»Ingrid, Ingeborg, Isolde?«
»Versuch’s mal mit einem B.«
»Berta, Bea...«
»Richtig!« Im Nu wurden Pauls Augen freigegeben. Eine auffallend hübsche Brünette ließ sich von seinem Rücken hinabgleiten. Freudig sah sie zu ihm auf.
»Und nun?«, fragte Paul etwas ratlos.
»Nun darfst du mit mir schlafen«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
Paul sah sie bass erstaunt an. »Eben war doch noch von küssen die Rede.«
Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern. Paul schaute sich daraufhin um, entdeckte wild knutschende Pärchen in jeder Ecke. Dann sah er seiner ungewollten Freundin direkt in die Augen und registrierte das gleiche Anzeichen von Drogenkonsum wie zuvor schon bei dem Jungen, der ihn angerempelt hatte.
»Komm mit«, sagte er kurzentschlossen und griff nach ihrer Hand. Er würde das Mädchen bis zur Bar fuhren und Hannah bitten, es nach Hause zu bringen. Denn auf dem Trip, dem sich die Kleine hingegeben hatte, konnte er sie unmöglich allein ihrem Schicksal überlassen.
Doch dazu kam es nicht: Ehe Paul wusste, was vor sich ging, fing er sich einen schmerzhaften Schlag in die Nieren ein. Er riss seinen Kopf herum, um zu erkennen, wer ihn attackiert hatte, und blickte einem ihm unbekannten Hänfling in sein pickeliges Gesicht.
»Der alte Sack gräbt unsere Mädels an!«, brüllte dieser mit sich überschlagender Stimme.
Sofort lösten sich einige andere, deutlich kräftiger gebaute junge Männer aus der Menge und preschten auf Paul zu. Sekunden später flogen die Fäuste, unter denen sich Paul nur mit Ach und Krach hinwegducken konnte. Er fing sich einige Hiebe ein, schaffte es aber schnell, Reißaus zu nehmen.
Er eilte in Richtung der Cocktailbar, wobei es ihm wider Erwarten gelang, seine Angreifer abzuschütteln. Die Eskalation der Gewalt hingegen war nicht
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