Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
Frieda Bruns.«
»Das tote Mädchen«, sagte Jo matt.
»Richtig. Wir haben erfahren, dass Frieda zu Ihren Kundinnen gehörte. Was haben Sie ihr verkauft? Koks oder Heroin?«
Jo setzte sich kerzengerade auf: »Heroin? Nein! Von mir bekommen Sie so was nicht. Nur Marihuana und Crystal und so’n Zeug. Alles ganz soft, völlig harmlos.«
»Wie man’s nimmt«, meinte Paul, woraufhin ihn Jasmin mahnend ansah.
Jo fühlte sich zu einer Rechtfertigung genötigt: »Ich weiß gar nicht, warum ihr euch so aufregt: Ich habe Frieda bloß einen Gefallen getan. Sie hat dank mir die Sterne berührt.«
Jasmin ging auf seine Beschönigungsversuche nicht ein, sondern fragte: »Gehörte Frieda schon länger zu Ihren Abnehmern?«
»Nein, Frieda war kein Junkie, wenn Sie das meinen. Nur ab und zu mal ein paar Pillen oder mal ’ne Linie. Aber sie hing nicht an dem Zeug, und in letzter Zeit hatte sie eh kein Interesse mehr an meiner Ware.«
»Was offenbar am Einfluss ihres neuen Freundes lag, wie wir gehört haben. Kannten Sie den Mann?«
Paul wunderte sich über Jasmins Vorstoß, denn das mit dem Freund war immer noch ein bloßes Gerücht, keine Gewissheit. Doch er musste ihr zugestehen, dass sie Erfolg mit ihrer Masche hatte: Jo lief rot an.
»Nein. Niemand kannte Friedas neuen Macker.«
»Sind Sie sicher? Sie wirken auf einmal so nervös.«
»Ist das denn nicht normal, wenn einen zwei Bullen in die Mangel nehmen?«
»Davon kann keine Rede sein. Wir unterhalten uns ja nur ganz zwanglos mit Ihnen.« Jasmin lächelte gütig, doch ihre Augen blieben kalt. »Raus damit, Jo. Was können Sie uns über diesen Mann sagen? War er etwa auch mal Kunde bei Ihnen und hat sich dann zum Drogengegner gewandelt, vom Saulus zum Paulus sozusagen?«
Jo schüttelte heftig den Kopf: »Nein, ganz bestimmt nicht! Der hat nie und nimmer was mit dem Zeug am Hut gehabt, war niemals stoned, ganz bestimmt nicht, dieser Mr. Saubermann...«
»Mr. Saubermann also. Verraten Sie uns auch seinen bürgerlichen Namen?«
Jo schnappte nach Luft, dann presste er seine Lippen fest aufeinander.
»Nicht immer ist Schweigen Gold, Jo«, bohrte Jasmin. »Ich möchte den Namen hören. Jetzt sofort.«
Jo kämpfte sichtlich mit sich selbst. »Das kann ich nicht machen«, rang er sich ab. »Das bringt mich in Teufels Küche. Der Mann hat Beziehungen, große Macht.«
Jasmin konnte ein spöttisches Lachen nicht zurückhalten. »Das hört sich so an, als würden Sie über den Paten vom Knoblauchsland höchstpersönlich sprechen. Nur Mut, Jo, immerhin sind wir von der Polizei. Wir geben unsere Quellen nicht preis, keine Sorge.«
»Trotzdem«, beharrte Jo. »Ich sage nichts mehr.«
»Wenn das so ist.« Jasmin erhob sich mit bedauernder Miene von der Bettkante. Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche und begann eine Nummer einzutippen. »Dann wird mir nichts anderes übrig bleiben, als meinen Kollegen von der Drogenfahndung einen heißen Tipp zu geben.«
»Nein, verdammt!« Jo sprang auf. »Stecken Sie das Handy weg. Bitte.«
Jasmin hörte auf, die Nummer zu wählen, ließ ihren Zeigefinger jedoch über dem Zahlenfeld schweben. Sie sah Jo streng an: »Sie haben es sich anders überlegt? Gut. Nennen Sie den Namen von Friedas Freund.«
Jo zitterte am ganzen Leib, als er die Bombe platzen ließ.
12
Warum vergeht die Zeit so furchtbar langsam, wenn man auf etwas wartet? Das fragte sich Paul - nicht zum ersten Mal -, während er auf dem Parkettboden seines Ateliers saß und auf das schnurlose Telefon in seiner Hand starrte. Wann klingelte es endlich?
Vor geschlagenen drei Stunden hatte er bei seinen Freunden angerufen und Nachrichten auf den jeweiligen Anrufbeantwortern hinterlassen, weil niemand persönlich an den Apparat gegangen war. Zunächst bei Jan-Patrick, anschließend bei Pfarrer Hannes Fink, zuletzt sogar bei Victor Blohfeld. Er wollte sie bitten, ihm bei seinem demnächst anstehenden Umzug zu helfen. Doch war es wohl ein Fehler gewesen, dieses Anliegen wortwörtlich aufs Band zu sprechen, denn wie es aussah, hatte niemand besonders große Lust zum Kistenschleppen. Jedenfalls blieb das Telefon still.
Während Paul wartete, kam ihm hin und wieder der Gedanke, dass er die Zeit selbst prima zum Kistenpacken nutzen könnte, anstatt apathisch auf dem Boden zu sitzen. Doch ohne jemanden, der ihm jetzt den notwendigen Tritt in den Hintern gab, fühlte er sich nicht imstande, sich aufzuraffen. Ein Umstand, der ihm viel Zeit zum Nachdenken verschaffte.
Nachdenken über
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