Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
mächtigen Kopf. »Ja und nein. Das überlege ich mir jede Minute anders. Am wichtigsten ist, dass Tobias möglichst bald von hier verschwindet. Ich will nicht, dass ihm auch etwas zustößt.«
»Aber Herr Bruns, was sollte Ihrem Sohn denn passieren? Ihre Frau ist, soviel ich weiß, an einer schweren Krankheit gestorben. Bei Frieda handelt es sich möglicherweise um eine Beziehungstat. Tobias hat mit beidem nichts zu tun.«
»Was wissen denn Sie schon? Tobi hat seine Schwester geliebt. Er hat sie beschützt, seit sie klein war. Es macht ihm schwer zu schaffen, dass er nicht da war, als sie Frieda geschnappt haben.«
»Sie? Sie sprechen plötzlich von mehreren Personen?«
»Frieda war ein so offenes Mädel, viel zu gutgläubig. Sie hat die falschen Bekannten angezogen wie das Licht die Motten, hat sich in schlechten Kreisen bewegt.«
»Sie machen diese schlechten Kreise für den Tod Ihrer Tochter verantwortlich?«, versuchte Paul ihn festzunageln und hoffte nun auf einen konkreten Hinweis auf die Drogenszene.
Doch jetzt machte Bruns endgültig dicht. Er bückte sich, um eine schwarze Plastikplane von einer Egge zu ziehen. Er raffte sie mit wenigen energischen Bewegungen zusammen und presste sie Paul vor die Brust. »Hier, nehmen Sie! Für Ihren Autositz. Und jetzt lassen Sie mich allein.«
Dass Bruns keinen weiteren Besuch von Paul wünschte, brauchte er nicht auszusprechen, das böse Funkeln seiner Augen sagte alles. Wie ein verwundetes Tier, das zurück in seine Deckung kriecht, dachte Paul. Bruns hatte offenbar eine Menge zu berichten, doch letztendlich mochte er niemandem trauen. Aus Angst, abermals verletzt zu werden.
Pauls Schuhe gaben bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch von sich, als er den Bruns’schen Hof mit gemischten Gefühlen verließ. Immerhin hatte sein Besuch gezeigt, dass die Suche nach Friedas Lover, aber gleichzeitig auch die Drogenspur Priorität bekommen müsste. Die ursprüngliche Annahme, dass sie es mit einem anonymen Sextäter zu tun hatten, wurde immer unwahrscheinlicher. Sollte er Katinka darauf hinweisen? Oder besser erst die Polizei, namentlich Jasmin?
Die Plane bot einen hinreichenden Schutz für das Polster des Fahrersitzes, half aber nicht gegen den erbärmlichen Gestank. Bevor sich Paul in seinen Wagen setzte, kurbelte er daher die Fenster aller vier Türen herunter. Anschließend öffnete er die Heckklappe, legte eine Pappe unter und setzte sich, um seine Schuhe aufzuschnüren. Als er sie auszog und umdrehte, ergoss sich eine bräunliche Flüssigkeit auf den Boden und bildete eine schlierige Pfütze mit einem Geruch, scharf wie Katzenpisse. Paul flog die Übelkeit an. Er konnte sich nicht dazu durchringen, die Schuhe wieder anzuziehen.
Nachdem er sich auch seiner triefnassen Socken entledigt hatte, setzte er sich hinters Steuer und ließ den Motor an. Dabei fiel sein Blick in den Rückspiegel und er sah sein völlig verdrecktes Gesicht, auch nach dem Abbrausen mit dem Schlauch noch von schwarzen Spritzern übersät. Seine Frisur war eine einzige Katastrophe, seine Haare hoffnungslos verfilzt. Die Jauche hatte sie zu Zöpfen verklebt, die ihn in einen heruntergekommenen Rastafari verwandelten.
Paul trat aufs Gaspedal, denn er wollte jetzt nur noch eines: so schnell wie möglich nach Hause und unter die heiße Dusche!
11
Er passte sie ab, als sie mit dem Rad vor dem vierstöckigen Altbau in der Campestraße vorfuhr, wo sie beide in der schnuckeligen Zwei-Zimmer-Wohnung vor vier Jahren ihre erste und einzige stürmische Liebesnacht verlebt hatten.
Jasmin trug ein fesches Adidas-Shirt und Shorts, ihr rötlich blondes Haar unter einem Käppi verdeckt. Auf dem Gepäckständer klemmte ein Volleyball.
»Sportlich, sportlich«, sagte Paul, als er sich ihr in den Weg stellte.
»Hallo, Paul. War gerade beim Training«, japste Jasmin außer Atem. »Kommst du mich etwa besuchen? Ist lange her, dass du dich das letzte Mal hierher verirrt hast.«
Paul strahlte sie an, als er verkündete: »Ich bin hier, um dir einen Tauschhandel vorzuschlagen.«
Jasmin stieg ab und musterte ihn mit aufkommendem Argwohn. »Einen Tauschhandel? Was stellst du dir darunter vor?«
»Folgendes: Der Abend in der Scheunendisco neulich ist für dich ermittlungstechnisch ja ziemlich unergiebig geblieben.«
»Ja, Paul Flemming sei es gedankt! Du bist es gewesen, der mir die Tour vermasselt hat, schon vergessen?«
»Keineswegs. Ich würde es gern wiedergutmachen, indem ich dir den Namen eines
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