Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
und zischte. Doch die Betriebsamkeit fand ohne das Zutun von Menschen statt. Vollautomatisch, ferngesteuert durch Computer.
Paul mochte sich noch so oft nach jemandem umsehen, den er nach Deuerleins Aufenthaltsort fragen könnte, er blieb die einzige Menschenseele in dem futuristisch anmutenden botanischen Glaspalast. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das ganze feuchtwarme Tropenhaus nach dem Chef abzusuchen.
Er begann in einem Seitentrakt, der zum angegliederten Hackschnitzelkraftwerk führte, in dem Deuerlein Holz im großen Stil verfeuerte, um den immensen Energiebedarf seiner Treibhäuser decken zu können. Paul sah sich in dem schlichten Gang kurz um, rief Deuerleins Namen und wollte kehrt machen, als er auf etwas aufmerksam wurde. Unter einer Abdeckplane lugte ein schmales Rad hervor. Paul erkannte einen Reifen und Speichen.
Er näherte sich der Plane, hob sie an und legte ein Fahrrad frei. Ein Herrenrad. Paul konnte gar nicht anders, als an die Radspuren vom Tatort zu denken. Er entdeckte Erdkrumen im Profil, was jedoch kaum verwunderlich war in dieser Gegend. Ehe er beginnen konnte, einen Zusammenhang zwischen seiner Entdeckung und dem Mordfall herzustellen, schob er den eigenen Gedanken einen Riegel vor. Er konnte doch nicht jedes x-beliebige Fahrrad im Knoblauchsland für verdächtig halten. Auch nicht jedes Zweirad auf Deuerleins Betriebsgelände. - Oder etwa doch?
Da der Zwischentrakt nicht gut genug beleuchtet war, entschloss sich Paul dazu, das Rad nach draußen zu schieben, um es sich bei Tageslicht genauer anzusehen. Er glaubte zwar nicht ernsthaft daran, aus dem Grad der Verschmutzung Rückschlüsse ziehen zu können, an welchen Äckern Deuerlein vorbeigeradelt war. Zur Untersuchung von Erdspuren wäre eine Laboranalyse nötig. Aber vielleicht landete er ja doch einen Zufallstreffer. Möglicherweise war das Rad bei dem Vorfall im Sonnenblumenfeld ja umgefallen und wies Beschädigungen auf?
Auf dem sonnenbeschienenen, unbefestigten Platz zwischen Gewächshaus und Hackschnitzelwerk stellte Paul das Rad ab und betrachtete es aus zwei Metern Entfernung. Es handelte sich um eine Mischung zwischen Rennrad und Mountainbike, der exakte Begriff lautete wohl Trekkingrad. Die Reifen fielen längst nicht so wuchtig aus wie bei anderen geländetauglichen Typen. Es könnte in etwa hinkommen, überlegte Paul, der mit seinem Fund aber ansonsten nichts Sinnvolles anzufangen wusste.
Daher beschloss er, das Rad vorerst dorthin zurückzuschieben, wo er es gefunden hatte. Er hatte den Lenker gerade gedreht, als das Dröhnen eines Traktors an sein Ohr drang, das schnell lauter wurde.
Keine zehn Sekunden später bog ein Bulldog um die Ecke des Heizwerks. Ein imposanter Auftritt mit mächtigem Motorblock, Doppelbereifung und einem Fahrerhaus hoch wie ein Bus. Das PS-Monster kam kurz vor Paul zum Stehen.
»Herr Flemming? Was haben Sie denn hier verloren?« Deuerlein, in Arbeitskleidung mit Jeans, schwarzgrüner Jacke und Schirmmütze, beugte sich aus der Kabine und rief gegen den wummernden Lärm seiner Maschine an. Dann wurde er auf das Fahrrad aufmerksam und erkundigte sich: »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass Sie gerade mein Fahrrad klauen. Das ist doch meins, oder?«
»Genau das wollte ich Sie fragen, Herr Deuerlein. Ich habe es im Gewächshaus gefunden.«
»Was heißt gefunden? Ich stelle es dort immer ab. Warum haben Sie es rausgeschoben?«
»Ich wusste nicht, dass Sie Fahrrad fahren.«
»Ist das denn etwas Besonderes?« Deuerlein lachte. »Selbstverständlich fahre ich Rad. Es gibt keine bessere Möglichkeit, um auf meinen Ländereien nach dem Rechten zu sehen. Ich drehe regelmäßig meine Runden.«
Paul spürte ein Ziehen in seiner Brust, gleichzeitig bildete er sich ein, soeben ein Puzzleteil gefunden zu haben, nach dem er die ganze Zeit unbewusst gesucht hatte. Denn jetzt fiel es ihm auf: Deuerleins Allwetterjacke hatte ein grün-schwarz kariertes Muster. Plötzlich war er sich sicher Er sprach mit genau demjenigen, der Tag für Tag am Sonnenblumenfeld vorbeiradelte. Demjenigen, der unter Umständen die verräterische Spur im Ackerboden hinterlassen hatte und den er am Tag des Mordes ganz am Rande eines seiner Fotos festgehalten hatte.
»Waren Sie mit Ihrem Rad auch an dem Tag unterwegs, als Frieda starb?«, fragte Paul nun sehr direkt.
»Das kann schon sein«, antwortete der Bauer gelassen. »Schade, dass ich nicht zur rechten Zeit vorbeigekommen bin. Sonst hätte ich
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