Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
Hund. Kann schon sein, dass er’s gewesen ist«, sagte sie lapidar.
»Ach, dann hat es wohl schon öfter Krach gegeben zwischen ihm und Frieda?«
»Nicht öfter als in anderen Familien. Aber zwischen den beiden ging es nie besonders herzlich zu.«
»Weil Frieda nicht sein leibliches Kind war«, suchte Paul nach der naheliegenden Begründung. »Und weil Bruns die Affäre seiner Frau nie verwunden hatte.«
»Pah!« Frau Leupold verzog ihren faltenumsäumten Mund zu einem schiefen Lächeln. »Der soll sich nicht anstellen. Wilhelm war doch keinen Deut besser. Hat seine Frau zu Lebzeiten auch betrogen, wo es nur ging. Meine Freundin Irma hat’s mir erzählt. Mindestens zwei andere soll er gehabt haben. Und angeblich noch eine polnische Saisonarbeiterin.«
Paul hörte interessiert zu und versuchte sich einen Reim darauf zu machen. »Trotzdem fiel es ihm schwer zu akzeptieren, dass Frieda nicht sein eigen Fleisch und Blut war.«
»Davon wäre die Welt nicht untergegangen«, äußerte Frau Leupold abfällig. »Haben Sie eine Vorstellung, wer auf dem Dorf alles miteinander verwandt ist?«
Auf was wollte die Frau hinaus, fragte sich Paul? Inzucht im Knoblauchsland? »Sie meinen, dass Bruns nicht von der Dorfgemeinschaft geächtet worden wäre, wenn die Wahrheit über Frieda ans Tageslicht gekommen wäre?«
Frau Leupold machte große Augen. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Das hätte den Dorfklatsch allenfalls für ein oder zwei Tage belebt, aber danach wäre es vorbei gewesen. Wilhelm hätte das ganz gemütlich aussitzen können, ohne dass ihm jemand an den Karren gefahren wäre. Genauso wie die Schwangerschaft von Frieda.«
»Sie wissen davon?«, fragte Paul alarmiert.
»Alle wissen das. Nur über den Kindsvater herrscht Uneinigkeit. Manche sagen ja, dass es dieser Staatssekretär gewesen sein soll. Glaube ich nicht. Eher einer aus der Dorfjugend. Mit der Politikergeschichte wollte sie sich nur wichtig machen.«
Paul sortierte die neuen Informationen in seinem Kopf und fragte: »Sie sind also der Ansicht, dass es für Wilhelm Bruns keinen zwingenden Grund gegeben hat, seine Stieftochter umzubringen?«
Frau Leupold schwieg und schien in sich zu gehen, bevor sie antwortete: »Wie gesagt: Der Wilhelm ist ein harter Hund und kann zupacken, wenn’s sein muss. Hat ja auch noch Vieh im Stall und früher selbst geschlachtet. - Aber ein Mörder? Wenn ich es mir recht überlege ... - nein, das würde selbst er nicht übers Herz bringen.« Sie blickte Paul verschwörerisch an, als sie ihre ganz persönliche Mordtheorie unterbreitete: »Der wahre Mörder ist einer aus der Dorfjugend. Natürlich keiner von unseren, sondern einer aus den anderen Ortsteilen. Der hat Frieda aufgelauert, um sie zu vergewaltigen.« Sie nickte, um ihre eigenen Worte zu bekräftigen. Dann fügte sie hinzu: »Oder einer dieser Russlanddeutschen aus Langwasser, denen ist ja alles zuzutrauen. Die fahren mit der U-Bahn bis raus zum Flughafen und kommen dann rüber, um sich über unsere Mädchen herzumachen. Oder ein Asylbewerber oder Hartz-4-Empfänger aus Gostenhof, das ist ja die schlimmste Gegend überhaupt ...«
Paul rauchte der Kopf, nachdem es ihm gelungen war, seine Besucherin mit leichtem Druck aus seiner Wohnung zu komplimentieren. Frau Leupold hatte in ihrer einfältigen Art nicht nur etliche böse Klischees bedient, sondern in Bezug auf Wilhelm Bruns auch begründete Zweifel aufkommen lassen. Paul würde das heute Abend bei Katinka ansprechen.
Nun aber mochte er nicht länger in seinem Atelier festgehalten werden, sondern sich endlich auf den Weg machen! Mit der Foto-CD in der Hand brach er zum dritten Mal auf - diesmal, ohne durch weitere Anrufe oder Besuche daran gehindert zu werden.
23
Den kürzesten Weg, der zu Deuerleins Treibhausimperium führte, kannte Paul mittlerweile aus dem Effeff. Er lenkte seinen Renault souverän um die größten Schlaglöcher der Feldwege herum, wich geübt den Wasserbögen der straßennahen Beregnungsanlagen aus und hupte ungeniert, wenn er an betagten Traktoren vorbei wollte, die im Schritttempo auf der Fahrbahnmitte rollten.
Paul hatte sein Ziel bald erreicht: Der riesige Gewächshauskomplex, die gigantische Tomatenzuchtanlage mit Pflanzenranken und roten, prallen Früchten in tausendfacher Ausfertigung, beeindruckte ihn auch bei seinem zweiten Besuch nachhaltig: Die Stauden wurden bewässert und bedampft, mit zusätzlichem Kunstlicht bestrahlt und mit Sensoren überwacht. Es surrte, rauschte
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