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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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schon lange nicht mehr hier gewesen«, sagte er. »Schön, dass du mich angerufen hast.«
    Er warf einen Blick auf den flimmernden Fernsehbildschirm. »Was meinst du, ob das da der Held ist ?« , fragte er und zeigte auf den Fernseher. Ein Mann mittleren Alters mit einem ungewöhnlich traurigen Gesichtsausdruck ritt gerade lässig in den kleinen Ort. Während er auf einem Strohhalm rumkaute, sprach er mit seinem Pferd.
    »Na, Schwarzer, dann werden wir uns jetzt mal in diesem friedlichen Nest erholen«, war im Untertitel zu lesen. Dann lächelte der Mann einigen jungen hübschen Frauen zu, die vor einem Freudenhaus standen.
    »Mein Gott, was bin ich dieses vorhersehbare Schmierentheater leid«, seufzte Daniel. »Ein verlogenes verdammtes Schmierentheater. «
    »Wir können ja ausmachen, wenn du möchtest. Mir ist das egal .«
    »Ja, mach aus !«
    Ich legte eine Schallplatte auf, lehnte mich auf dem Sofa zurück und sah Daniel an. Er sah sich im Wohnzimmer um; die Bilder, die Möbel, die hässliche Bodenvase, den wir einfach nicht wegwerfen konnten. Dann spürte er meinen Blick und wandte sich zu mir.
    »Worüber denkst du gerade nach ?« , fragte er.
    »Über dich«, antwortete ich gedankenlos.
    Er lachte. »Über mich? Was meinst du damit ?« Ich bereute meine Antwort schon. Es waren ja nur Gedanken. Nichts, was ich wusste oder wissen musste.
    »Worüber hast du nachgedacht ?« , wiederholte er.
    »Ach, nichts. Über irgendwas Blödes.«
    »Irgendetwas Blödes? Über mich?« Er grinste etwas verunsichert. »Das musst du mir jetzt aber wirklich erklären, Jonas .«
    Ich zögerte eine Weile, bevor ich es wagte, meine Frage zu formulieren. »Daniel«, fing ich an, »warst du ... warst du in Paul verliebt ?«
    Ich hatte wohl erwartet, dass er zusammenzucken würde; ich hatte zumindest eine klare Reaktion erwartet. Aber sie blieb aus. Daniel wandte sein Gesicht von mir ab, langsam, ganz langsam. Er heftete seinen Blick auf das Mirö-Bild über dem Fernsehtisch.
    »Verliebt«, wiederholte er leise. »Ja, vielleicht.«
    Ich wartete gespannt.
    »Ja«, fuhr er nach einer Ewigkeit fort. »Ich war vielleicht in deinen Bruder verliebt. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es sich dabei wirklich um ... um Verliebtsein handelte. Ich meine, vielleicht ... vielleicht war ich auch einfach nur einsam. Und dann bildet man sich schnell irgendetwas ein. Und Paul ... «
    Er stand auf und richtete seinen Blick auf mich.
    »Hat dir irgendjemand etwas gesagt? Über mich, meine ich ?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann hast du es nur ... vermutet, oder ?«
    »Irgendwie so ähnlich«, murmelte ich.
    Er steckte sich eine Zigarette an. Und ich erhob mich, um die Balkontür zu öffnen, warf einen kurzen Blick auf das Bild von Paul, als ich am Fernseher vorbeiging, um zu sehen, ob er traurig oder glücklich war.
    »Er besuchte mich ziemlich häufig. Ich mochte es, ihn zu sehen, mit ihm zu reden. Ich mochte es, ihn zu sehen. Vielleicht hatte ich auch ... Nun, ich habe keine allzu großen Erfahrungen mit der körperlichen Liebe. Die wird doch sehr überschätzt. Fast wie ein großer Werbetrick .«
    »Wusste Paul davon ?« , fragte ich. »Dass du ... «
    »Ich weiß es nicht. Aber ich nehme an, schon. So was merkt man eigentlich .«
    »Du darfst nicht glauben, dass ich mich für jeden Jungen oder Mann, dem ich begegnete, interessierte«, fuhr er fort. »Im Gegenteil. Es gab nicht viele, zu denen ich mich hingezogen fühlte. Mein Verlangen war mehr ... Wie soll ich sagen? Ich sehnte mich nach jemandem. Nicht nach irgendjemandem. Und Paul ... ja, er war ja irgendwie sowohl Kind als auch Erwachsener. Sowohl Junge als auch Mann. Er verwirrte mich. Ich hatte ihn ja seit seiner Geburt gekannt. Aber erst, als er in den Stimmbruch kam, begann ich zu fühlen, dass ... Er malte ja gern. Das weißt du. Und er fotografierte auch gern. Er hatte überhaupt ein gutes Gefühl für Bilder, eine Fähigkeit, Bilder zu schaffen. Er hatte immer gute Noten in Zeichnen. Und dann, als ich eine Kamera kaufte ... das war irgendwann Ende '68, glaube ich, wollte Paul, dass wir anfangen sollten, -richtig-zu fotografieren. Er wollte andere Bilder machen als immer nur von Geburtstagfeiern und schönen Aussichten, sagte er. Er wollte künstlerisch fotografieren.
    Einmal kam er zu mir nach Hause im Januar des Jahres, in dem er gestorben ist. Ich glaube, es war ein Sonntag. Wir wollten Porträts machen. Ich hatte einige Laken als Hintergrund aufgespannt. Und einige Fotolampen von

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