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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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rausgelassen. Eher das genaue Gegenteil davon.«
    »Das war allgemein gesprochen.« Sie machte eine ausladende Geste, die alle Gebäude um uns herum einschloss. »Und dass es hier
     so aussieht, ist nicht nur die Schuld der Leute, die hier leben.«
     
    Vor dem Hotel erwartete uns ein zerknirschtes Holländerpärchen. Wahrscheinlich warteten sie schon einige Stunden. Ich umarmte
     die beiden, wobei ich ignorierte, dass ich wohl wie ein Iltis roch.
    »Wenn du gekommen wärst, säßen wir jetzt beide im Knast«, sagte ich zu Ger.
    Er löste sich aus der Umarmung. »Ich war es, der sich mit ihm geschlagen hat.«
    »Ansonsten hätte mich der Typ abgestochen.« Ich wandte mich Nicky zu. »Und komm jetzt nicht wieder damit, dass wir ohne euch
     nicht hingegangen wären. Ihr seid nicht verantwortlich dafür, dass es hier solche Leute gibt.«
     
    Wir frühstückten zusammen, und ich trank Unmengen dieses Koffeinmirakels, das ich mir am liebsten intravenös verabreicht hätte.
     Dann erschien Hugo Marques, mit versteinertem Gesicht. Ich machte mich darauf gefasst, zeitnah die Koffer zu packen und die
     Unterkunft zu wechseln, oder die Gelegenheit zu nutzen, um gleich das Land zu verlassen. Für einen hinrichtenden Text hatte
     Nina längst genug Material gesammelt.
    |281| Marques räusperte sich. »Es ist unverzeihlich, wie meine Landsleute mit Ihnen umgegangen sind.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte ich verblüfft.
    »Ach, glauben Sie mir, hier bleibt wirklich rein gar nichts verborgen.«
    Damit bestätigte er meine Vermutung, dass auch die Herren von der Polizei von Anfang an gewusst hatten, wer Opfer und wer
     Täter war. Ich sagte dem Hotelmenschen, was ich dachte.
    Marques zuckte die winzigen Schultern. »Sie sind hier nicht in Deutschland, und eigentlich auch nicht in Portugal, sondern
     in einem Urlaubsgebiet, also in einer Region, in der im Sommer mehr als siebzig Prozent der Menschen Urlauber sind. Eine soziale
     Struktur, die zu über zwei Dritteln aus Mitgliedern besteht, die ihr nur für zwei Wochen oder weniger angehören, also wenig
     Interesse an ihrem Bestand haben – das ist außerordentlich schwer zu bewerkstelligen und erfordert manchmal Vorgehen, das
     ungerecht erscheint, wenn man es in einer Momentaufnahme oder von außen betrachtet. Dabei gehen wir schon auf die Touristen
     zu, und viel weiter, als wir müssten – und wollten, hätten wir die Wahl. Das ist alles sehr kompliziert, und das System hat
     fraglos Schwächen. Versuchen Sie trotzdem, sich anzupassen, denn Rebellion akzeptieren die wenigsten Protagonisten. Sie sind
     noch gut weggekommen.« Er legte den Kopf schief, und währenddessen fragte ich mich, wie ein so kluger Kopf dulden konnte,
     dass an seinem Pool Schilder in Idiotendeutsch, -englisch und -französisch hingen, bis mir auffiel, dass er die Antwort bereits
     gegeben hatte. »Da Sie Pauschalreisende sind, kann ich Ihnen keine Rückvergütung anbieten«, sagte er und deutete ein Nicken
     an. »Aber es würde mich freuen, wenn Sie in den sechsten Stock umzögen. Ich habe zwei sehr schöne Zimmer für Sie vorbereiten
     lassen. Vielleicht beruhigt das Ihren verständlichen Ärger über meine Mitbürger und die Ordnungskräfte ein wenig.« Er wandte
     sich ab, drehte sich aber nochmals um. »Davon abgesehen sei mir die Bemerkung gestattet, |282| dass ich Sie keineswegs für normale Touristen halte.« Lächelnd zog er von dannen. Ich war kurz davor, ihm zu applaudieren.
     
    Also doch Koffer packen. Die »Zimmer«, eigentlich Suiten, mit getrennten Wohn- und Schlafbereichen, lagen nebeneinander und
     hatten große Balkone – mit Schaukelstühlen und Liegen – zur Meerseite hin, die zusammen fast über die gesamte Breite des Hotels
     gingen. Auf den Wohnzimmertischen wartete jeweils eine Flasche Portwein auf uns, bei Nina zusätzlich noch Blumen.
    Ich war versucht, sofort schlafen zu gehen, duschte aber erst mal. Danach fühlte ich mich erfrischt und setzte mich auf den
     Balkon. Kurz darauf betrat Nina ihren. Auch sie hatte sich frisch gemacht und trug wie ich nur ein weißes Badetuch, das hervorragend
     mit ihrer Hautfarbe kontrastierte. Ihre Haare waren verwuschelt. Bimbos Kopf erschien kurz in der Balkontür, der Hund begrüßte
     mich mit einem angedeuteten Bellen, dann zog er sich wieder zurück.
    »Nette Zimmer«, sagte sie und nahm, wie ich auch, in einem Schaukelstuhl dicht am Trenngeländer Platz. Sie griff durch das
     Gitter nach meiner Hand. »Du hast mir wirklich

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