Pauschaltourist
deutlich länger als meine. Die deutsche
Verkäuferin, die das nicht zu bemerken schien, flüsterte mir ins Ohr: »Emad ist mein Verlobter. Wir werden übermorgen heiraten.«
Dabei strahlte sie, als hätte sie einen Monstervibrator unter dem Rock.
|303| Emads Auto war eine Familienkutsche von Ford, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut wurde. Am Spiegel hing eine komplette
Kollektion Wunderbäume, die Sitze waren gefährlich für die Gesäßhaut, und die Temperatur im Wagen hätte tatsächlich Bimbos
Pisse zum Zischen gebracht. Aber die Entfernung bis zu unserem Hotel betrug ja nur ein paar hundert Meter. Unser Fahrer schwitzte
auf der Stirn, ich hingegen am gesamten Körper. Während der kurzen Fahrt plapperte er in Englisch auf Nina ein, die auf dem
Beifahrersitz saß und freundlich-abfällig nickte. Ich verstand nicht alles, bekam aber einen Vortrag mit, in dem es um die
Vorzüge ägyptischer Männer und die enormen Chancen, die gutaussehende Frauen wie meine Kollegin hier hätten – arbeitsmäßig
und so –, ging. Was »und so« hieß, unterstrich der pausenlos ruckartig in Ninas Richtung schnellende Kopf des Wäschechauffeurs.
»Noch sechs Tage«, sagte sie. Wir lagen am Pool unter einem zerfetzten Sonnenschirm und tranken »Sakkara«, ein erstaunlich
wohlschmeckendes einheimisches Bier, dessen Etikett eine Pyramide zierte – selbstverständlich, da der Name von jener Totenstadt
am Nilufer stammte, die der Rätsel-Hiwi Nikolas Sender gut kannte. An einem der Restauranttische saßen drei junge Männer und
verzogen bei jedem Bissen angewidert das Gesicht.
»Sechs«, wiederholte ich und wurde dabei melancholisch. »Schade, irgendwie.« Nina nickte. Tatsächlich konnte ich mir kaum
vorstellen, sie nicht mehr täglich zu sehen. Wie verronnen, so gewonnen – ein guter Freund davon und ein neuer dazu.
»Heino ist hier«, sagte sie dann plötzlich. »Auf einer Konferenz in Sharm El-Sheikk. Ich soll ihn anrufen, wenn wir uns treffen
können.
Deshalb
hat er die Türkei gestrichen.«
Sie hatte die Stirn in Falten gezogen und sah mich an, als würde sie etwas von mir erwarten.
»Er verarscht dich«, erklärte ich und unterstrich das mit einer entsprechenden Kopfbewegung.
|304| Nina legte den Kopf schief. »Das wird wohl so sein.« Sie seufzte. »Weißt du was? Inzwischen ist es mir beinahe egal.« Nach
einer kurzen Pause wiederholte sie leise: »Beinahe.«
»Hast du dich schon mit dem Piloten verabredet?«
Sie schüttelte den Kopf und grinste. »Man muss die Kerle schon ein bisschen zappeln lassen.« Danach legte sie sich hin, stellte
sich die Bierflasche auf den Bauch, umfasste sie mit beiden Händen und schloss die Augen.
Mein Telefon piepte, was mich etwas verstörte, da es nach wie vor auf Vibrationsalarm gestellt war. Ich hatte gerade per Internet
erfahren, dass die Ägypter über eine mehrtausendjährige Bierbrautradition verfügten. Die Recherche wurde vom Piepen unterbrochen.
Doch es war überhaupt kein Anrufer, der meine Untersuchungen störte, sondern lediglich der Hinweis darauf, dass übermorgen
ein privater Termin anstünde. Für ganztägige Geschehnisse hatte ich sechsunddreißig Stunden Erinnerungszeit eingestellt.
Es war Steinis Geburtstag.
Ich war schon dabei, den Eintrag zu löschen, denn dieser miesen Pissnelke von einem elenden Kumpelschwein würde ich ganz sicher
nie wieder zum Geburtstag gratulieren, als mir einfiel,
wo
Ingo Steinmann sein Jubiläum traditionell beging. Nämlich quasi um die Ecke, in einem Tauchclub in der Nähe von Hurghada.
Alleine, im noblen Restaurant des Resorts, wie er nicht müde geworden war, mir Jahr für Jahr zu erzählen. Ich wusste sogar
noch den Namen des Schuppens. Nina sagte irgendwas, aber ich hatte eine Idee, und diesem Impuls musste ich nachgeben. Ich
stand auf.
»Bin gleich wieder da.«
Sie nickte und hielt dabei die leere Flasche hoch. »Bring mir noch eins mit.«
Ich umwanderte den schmalen Hof, trotzte der sengenden Hitze und fand dabei schließlich die Website des Hotels in meinem Smartphone.
Um dort anzurufen, ließ ich mich an einem der |305| freien Restauranttische nieder. Die drei jungen Männer hatten ihr Essen mittlerweile beendet, aber auf den Tellern befanden
sich noch ziemlich viele Reste. Ein Kellner kam und fragte nuschelnd – vermutlich in der Hoffnung, dass die Frage so nicht
verstanden würde –, ob es geschmeckt hätte. Ich grinste und wählte in das
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