Pauschaltourist
nach einer ziemlich fiesen anderen, für mein olfaktorisches Empfinden
leicht animalischen Note. Wasserdruck im telefonzellenkleinen Bad war so gut wie keiner vorhanden, und von den insgesamt fünf
Strahlern, die als Beleuchtung von Bad und Zimmer dienten, funktionierten gerade zwei. Dafür bot der mikroskopisch kleine
Fernseher fast hundert Kanäle, darunter zwei deutsche – ausgerechnet Sat.1 und RTL. Wenn ich die Balkontür öffnete, musste
ich über das Bett klettern, um nach draußen zu kommen. Vielleicht war das die Erklärung für den Kopfkissengeruch – jemand
mit einem sehr originellen Fußpilz hatte vor mir das Zimmer bewohnt. Es gab nur eine Steckdose – die für das Fernsehgerät.
Als ich ausgepackt hatte, wusste ich aufgrund des begrenzten Raumes nicht, wohin mit meinem leeren Koffer, also stellte ich
ihn auf den Balkon. Auf demjenigen des Nachbarzimmers standen |301| zwei Russen, die sich lautstark unterhielten, dabei deutsches Dosenbier tranken und rauchten. Für mich interessierten sie
sich nicht.
Die Hitze war beißend – als würde man mir einen Haartrockner direkt auf die Haut halten. Die Sonne stand senkrecht über uns,
und ich gratulierte uns gedanklich zu dem engen Hotelhof, denn dort hätten wir wenigstens vor- und nachmittags Schatten. Nina
war gut gelaunt. Wir betraten das erste Bekleidungsgeschäft, in dem zig halbwüchsige Mädchen herumwuselten und sich gegenseitig
stolz Fundstücke präsentierten: Shirts, die vermeintlich von Firmen wie Ed Hardy stammten, und solches Zeug – alles für ein
paar Euro pro Stück, und selbst dabei war die Gewinnspanne wohl noch beträchtlich. Aber China, Indien und Pakistan mussten
ja auch von irgendwas leben. Warum nicht von Ed Hardy? Der verdiente sicher genug.
Nach dem fünften Geschäft wurde meine Kollegin unruhig.
»In diesen Imitaten macht man sich ja lächerlich«, grummelte sie.
»Hier muss es doch First-Class-Hotels geben«, sinnierte ich laut. »Die haben meistens Boutiquen.«
»Was würde ich nur ohne dich tun?«, lachte Nina. Ich nickte und freute mich auf die nächste Klimaanlage.
Dank GoogleMaps fanden wir alles – Hotel, Boutique und Klimaanlage. Danach erhielt ich einen Crashkurs in weiblicher Einkaufsphilosophie.
Silke hatte gewusst, dass ich Kleidungseinkäufe abgrundtief hasste und die Touren deshalb in Begleitung ihrer Freundinnen
unternommen. Mit Nina machte es Spaß. Sie knechtete die beiden Verkäuferinnen, eine Deutsche und eine Afrikanerin, an den
Rand des Wahnsinns, bis zwei Badeanzüge, ein Bikini, mehrere Sommerkleider, einige schicke Blusen-Hosen-Kombinationen, ein
Stapel zurückhaltender, schweineteurer Shirts, fünf Paar Schuhe und einiges an Unterwäsche zusammengestellt waren. Und |302| nicht eine einzige Wurstpellenhose. Nina brachte mich trotz Kühlung zum Schwitzen, als sie mich zum dreißigsten Mal zur Kabine
rief und mir ein hauchdünnes Top und fast durchsichtige Slips präsentierte, keck lachend. Ansonsten amüsierte ich mich bei
phantastischem Kaffee und Mineralwasser vom Nordpol. Die beiden Mädels benötigten fast eine Viertelstunde, um den Endpreis
zu ermitteln, und zwei Mal verrechneten sie sich auf dem Weg dorthin. Nina zahlte mit der Verlagskarte und erklärte mir zwinkernd,
dass die Gepäckversicherung das wohl ausgleichen würde, aber das konnte ich mir kaum vorstellen. Als wir den Namen des Hotels
nannten, in das die Wagenladung Wäsche gebracht werden sollte, verzog die Deutsche das Gesicht.
»Das ist schlecht. Ein schlechtes Hotel«, sagte sie, als hätte sie verlernt, richtig Deutsch zu sprechen. »Laut und schmutzig.«
Danach telefonierte sie, um jemanden zu organisieren, der das Zeug transportieren würde.
Kurz darauf erschien ein junger, etwa fünfundzwanzig Jahre alter Ägypter. Er war vielleicht eins fünfundsechzig groß, auf
drahtige Art muskulös, trug einen braunen Anzug, wie sie in den Sechzigern in Deutschland modern gewesen waren, dazu ein strahlendweißes
Hemd und eine dezente Goldkette um den Hals. Seine flüchtige Haarpracht hatte er mit Gel oder Öl nach hinten gekämmt, so dass
ich die Pickel auf seiner Kopfhaut zählen konnte. Siebzehn. Die dunklen Augen des jungen Mannes musterten uns – vor allem
Nina – aufmerksam. Seine gewellte Nase war so groß, dass seine Ausstrahlung dadurch etwas Raubvogelhaftes hatte. Mehr Geier
als Adler. Er stellte sich uns als Emad vor, dabei hielt er die Hand meiner Begleitung
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