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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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donnernd
     den Gang entlang. Dabei brüllte er etwas Unverständliches.
    »Sie müssen Marcel verzeihen«, sagte Lederstrümpfin zu mir, als ich saß. Ihre Stimme war kieksig, den Namen ihres Begleiters
     sprach sie
Marssl
aus. »Er hat da ein Problem. Eine Infektion. Er kann es nicht kontrollieren.«
    »Oh. Dann sollte er einen Katheter tragen.«
    Sie lächelte verschämt. »Es gibt keine Adapter in seiner Größe.«
    |298| Während ich mich fragte, ob das
so klein
oder
so groß
bedeutete, wobei mich meine Vorurteile über Bodybuilder die erste Lösung bevorzugen ließen, stauten sich die Fluggäste vor
     dem Klo.
    »Er sollte vielleicht lieber am Gang sitzen«, schlug ich vor.
    »Aber er sieht doch so gern aus dem Fenster.«
    Das hatte er meiner Beobachtung nach bisher nicht getan, und ich konnte Pumperuschi von meinem Vorschlag überzeugen. Nach
     einigem Hin und Her saßen Nina und ich auf den Plätzen der beiden, und Ninas ehemaliger Sitz war der neue von Pinkelbert.
     Der kehrte erst nach fast zwanzig Minuten zurück – seine Jogginghose nass bis zu den Knien. Da ich am Fenster saß, war ich
     – hoffentlich – außer Schlagweite, aber er setzte sich nur brummend auf seinen neuen Platz und vertiefte sich wieder in ein
     Muskelblatt. Eine ältere Dame vor Nina drehte sich durch die Lücke zu uns um und hauchte: »Danke.«
     
    Das Gedränge an der Gepäckausgabe nötigte uns zu einer Warteposition fast an der Stelle, an der das Band seine Rückreise antrat.
     Mein Koffer kam relativ früh, und als ich mit Bimbo an der Leine von der Sperrgepäckausgabe zurückkehrte, wartete Nina immer
     noch. Zwei ramponierte Trolleys fuhren einsame Runden, und außer meiner Kollegin standen nur noch zwei weitere Frauen in ihrem
     Alter da, die sehnsuchtsvoll auf die Stelle starrten, an der das Förderband begann. Doch es kam nichts mehr. Fünf Runden später
     hielt das Vehikel an. Nina zuckte die Schultern. »Das musste ja früher oder später passieren. Horchen wir mal, wo mein Koffer
     gelandet ist.«
    Er war in Hurghada gelandet, das ließe sich eindeutig feststellen, sagte jedenfalls die außerordentlich hübsche, kopfbetuchte
     Ägypterin, die uns beim »Lost Baggage« bediente, nachdem wir fast eine halbe Stunde angestanden hatten. Die Koffer der Menschen
     vor uns waren in Kairo, London und Warschau, bis auf einen, der befand sich vielleicht auf dem Weg zum Mond. Nur Ninas |299| Gepäck war ganz sicher in Ägypten gelandet. Wenn es nicht auf dem Band lag, hatte es jemand gestohlen.
    Ein nicht unerhebliches Risiko, dachte ich – mit fremdem Gepäck durch den Zoll zu gehen. Ich betrachtete meinen Billigkoffer,
     den Silke und ich, wenn ich mich recht erinnerte, bei Tchibo oder einem anderen Kaffeeröster erstanden hatten, der Kaffee
     nur noch im Zweitgeschäft verkaufte. Ninas Zeug war vom Feinsten, und jetzt war ein Großteil verschwunden. Ich verstand, warum
     es wichtig war, einen guten Platz am Gepäckband zu ergattern.
    Sie nahm es gelassen. »Das heißt dann ja wohl: Shoppen«, erklärte sie vergleichsweise fröhlich, und ich nahm an, dass die
     Verlagskreditkarte in Anspruch genommen werden würde. Bimbo piepte inzwischen laut. Wir passierten den Zoll und traten in
     die nordafrikanische Brachialhitze. Es war hier deutlich heißer als in Marokko oder an einem der anderen vorigen Reiseziele.
     Der weite Himmel strahlte in flirrendem Blau, und als der schwarze Pudel auf den Asphalt pinkelte, erwartete ich, ein zischendes
     Geräusch zu hören. Es blieb aber beim Plätschern. Wir organisierten uns ein Taxi und fuhren durch karge Wüstenlandschaft in
     die Stadt.

|300| 3.
    Die breiten Hauptstraßen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein übel hässliches Tourighetto handelte. Immerhin
     kamen wir an endlosen Ladenpassagen vorbei, deren Geschäfte mit allen Markenlogos von Adidas bis Zagora warben, aber ich wusste
     auch, dass Hurghada ein Eldorado der Textilfälscher war. Trotzdem oder gerade deshalb beschloss ich, Nina beim Shoppen zu
     begleiten.
    Unser Hotel lag praktisch mittendrin, eine rechteckige Anordnung aus sechsstöckigen Gebäuden, in deren Mitte ein enger Hof
     den kleinen, achteckigen Pool, ein paar unbenutzte Liegen und fünf Restauranttische barg. Die Zimmer gingen zum Hof hinaus,
     waren winzig und schmutzig wie zwei Tage lang getragene Unterwäsche – gerade noch tolerabel, sofern man nichts Wichtiges vorhatte.
     Mein Bettzeug roch nach Rauch, das Kopfkissen zusätzlich

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