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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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industrialisierte,
     nur mit einigen verdorrenden Palmen dekorierte Geröllhalde. Jedenfalls anfangs. Als wir Maspalomas erreichten, ging der Eindruck
     eher in |42| Richtung Märkisches Viertel mit fortgesetzt spärlichem Pflanzenbewuchs. Grausig.
    Einige der Hotels, vor denen wir hielten, hätten auch in jedem x-beliebigen 50er-Jahre-Neubauviertel im Ruhrpott stehen können.
     Ich war fassungslos. Warum sparten Leute darauf, in solchen Bunkern die schönsten Tage des Jahres zu verbringen? Und wo zur
     Hölle war der verdammte Strand?
    Dann brach plötzlich Chaos aus, verursacht durch Nina. Ihr war schließlich eingefallen, was auch meinem Gefühl nach nicht
     gestimmt hatte.
    »Bimbo!«, schrie sie, sprang auf und rannte nach vorne, zum Busfahrer. »Mein Bimbo!«, wiederholte sie, während sie sich ohne
     Rücksicht auf Verluste den Gang entlanghangelte. Der Busfahrer bremste und hielt am Straßenrand. Dann drehte er sich zu ihr
     um. Die anderen Touristen fragten sich vermutlich, welch seltsame Beziehung die beiden verband und warum Nina den Fahrer »Bimbo«
     nannte. Ich hatte ein Einsehen und stand auf, um meine frischgebackene Ehefrau zu unterstützen, Inge zwinkerte mir wissend
     zu. Natürlich weigerte sich der Fahrer, zum Flughafen zurückzufahren, versprach aber, ein Taxi zu rufen. Nina stieg aus, mitten
     im Einerlei der geklonten Zweckbauten. Dann, eine geschlagene Stunde später und als letzter Fahrgast, durfte auch ich schließlich
     vor einem riesigen Gebäudeklotz aussteigen – schätzungsweise weniger als zehn Kilometer vom Flughafen entfernt. Inge und Herta
     hatten sich herzlich verabschiedet und versprochen, uns im Hotel zu besuchen. Wenigstens etwas, worauf ich mich freuen konnte.
     Als ich an der Hotelfassade emporsah, sieben aufgetürmte postmoderne Stockwerke, zwei Flügel, die sich gut vierzig Meter nach
     rechts und links erstreckten, wurde das Wiedersehen mit den beiden zu einem Mantra. Dies hier war die Tourihölle in Reinform.
     Der Eindruck verstärkte sich, als ich die Hotelhalle betrat, in der es höchstens siebzehn Grad warm war. Der Empfangstresen,
     selbst eigentlich ziemlich gewaltig, verlor sich im über vier Stockwerke |43| reichenden Atrium. Ich schleppte alle Koffer rein und baute mich vor einer schwarzhaarigen Enddreißigerin auf, die an einem
     Computer herumdaddelte.
    »Guten Tag«, sagte sie fast akzentfrei, ohne aufzusehen.
    »Buenos días«, antwortete ich.
    Sie hob den Blick und senkte ihn dann auf die Vouchers, die ich auf den Tresen gelegt hatte.
    »Last Minute«, stellte sie mit abschätzigem Unterton fest. Dann wandte sie sich nach rechts, zur einzigen weiteren Kollegin,
     die das Tresenmonstrum bevölkerte, und schwatzte auf Spanisch mit ihr. Dass sie die Formel »Last Minute« mehrfach wiederholte,
     konnte ich allerdings heraushören. Die Kollegin nickte. Fünf Minuten später lagen zwei Codekarten vor mir, und die Tresentante
     wies nach links.
    »Gang da hinter Butik. Türen eins und zwei links.«
    »Haben die Zimmer Meerblick?«, fragte ich skeptisch.
    »Last Minute«, antwortete die Empfangsdame und zog eine Augenbraue hoch.
    Ich beugte mich über den Tresen und schnappte mir die Vouchers, die sie fix gebunkert hatte.
    »Balkon, Meerblick«, erklärte ich und wies auf die entsprechenden Einträge.
    »Hotel voll. Ausgebucht.«
    Es gab jetzt zwei Möglichkeiten. Ich entschied mich für die zweite. Nachdem ich etwa zwei Minuten lang wie ein Irrer herumgetobt
     hatte, nahm die Hotelmitarbeiterin die Vouchers abermals in die Hand, prüfte sie, als hätte sie beim ersten Mal nicht genau
     hingeschaut, und dann bat sie mich um die Codekarten.
    »Vielleicht Fehler.«
    Die Zimmer waren zweckmäßig, aber nicht hässlich. Dank Bimbo nutzte ich die Gunst der Stunde und quartierte mich im etwas
     besseren ein – demjenigen, von dem aus man tatsächlich über mehrere Dächer hinweg in weiter Ferne ein bisschen Blau erkennen |44| konnte, das vielleicht – aber auch nur
vielleicht
– vom Meer stammte. Außerdem hatte es den größeren Balkon. Als ich mit dem Auspacken fertig war, klopfte es. Meine verschwitzte,
     ziemlich mitgenommen aussehende Reisekollegin stürmte an mir vorbei, schmiss sich sofort aufs Bett und nörgelte: »Ich will
     wieder nach Hause.« Kurz darauf tippelte Bimbo ins Zimmer und legte sich vor dem Bett auf den Fußboden.
    Ich nickte. »Lass uns was trinken gehen«, schlug ich vor.
    »Das«, sagte Nina, ebenfalls nickend, »ist eine wirklich

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