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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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um die Hüfte.
    »Pass mal auf, Chico. Wenn Ihre Majestät, und damit bin ich gemeint, einen Getränkewunsch hat, und du siehst das und hast
     gerade nichts Wichtigeres zu tun, was eigentlich niemals der Fall sein kann, dann schiebst du deinen verwachsenen grünbraunen
     Edelkörper in Richtung Majestät und fragst
subito
nach ihrem Begehr, comprende?«
    Der Kellner sah sie fassungslos an, was vielleicht am Italienisch-Spanisch-Kauderwelsch lag, das Nina benutzte, dann senkte
     er seinen Blick vielsagend auf ihr Armbändchen.
    »All inclusive, lieber Chico, bedeutet, dass auch du inclusive bist. Ich bin gut bekannt mit Señor Martinez. Es könnte also
     passieren, dass dein Aufenthalt hier früher endet als meiner.« Sie machte zackig auf den Hacken ihrer Flip Flops kehrt und
     kam zu unserem Tisch zurück. Ich erhob und verneigte mich. Der Kellner folgte ihr exakt auf die Art, wie Bimbo das sonst tat.
    »Wer ist Señor Martinez?«, fragte ich, als Chico unsere zweite Bestellung aufgenommen hatte und in unterwürfiger Haltung davongedackelt
     war.
    »Der Hotelmanager. Das tue ich immer als Erstes, wenn ich irgendwo ankomme – ich frage nach allen wichtigen Namen. Ich glaube
     kaum, dass Chico prüfen wird, ob Herr Martinez tatsächlich mit mir bekannt ist. Eher wird er uns von nun an die Zehenzwischenräume
     auslecken, während wir die nächste Runde ordern.«
    Ich grinste. »Ich weiß übrigens auch nichts über dich.«
    Nina lehnte sich zurück und sah ins wolkenlose Hellblau. Ich schätzte die Temperatur auf achtundzwanzig Grad. In das fortwährend
     präsente Kinderschreien mischte sich in diesem Moment die Hupe eines LKW. Ich drehte mich zur Seite und sah den Brummi in
     etwa zehn Meter Luftlinie am Zaun vorbeidonnern.
    |50| »Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Ich bin vierunddreißig, Single aus Leidenschaft, jedenfalls neuerdings, Hundenärrin und
     sehr häuslich. Wenn ich nicht müsste, würde ich die Stadt nicht verlassen, außer vielleicht, um nach Sylt zu fahren, wo ich
     ziemlich viele Freunde habe. Ich bin gerne in Gesellschaft, kann aber auch ganz gut für mich alleine sein. Den Job hab ich
     eher zufällig bekommen.« Sie sah mich kurz prüfend an, als ob ich etwas darüber wissen müsste. »Vorher habe ich für die Yellow
     Press gearbeitet. Allerdings habe ich nicht Publizistik studiert, sondern Germanistik und Philosophie.«
    »Philosophie?« Ich verkniff mir eine Bemerkung zu den Freunden auf Sylt. Bei meinem bisher einzigen Besuch der Nordseeinsel
     war mir niemand begegnet, mit dem ich eine Freundschaft eingegangen wäre, auch nicht gegen Zahlung einer sechsstelligen Summe.
     Und zu Ninas Alter sagte ich auch nichts, obwohl ich angenehm überrascht war. Meine Vorurteile über Sonnenbänke würde ich
     überdenken müssen.
    »Frag nicht nach Sonnenschein. Keine Ahnung, wie ich den Magister geschafft habe. Aber …«
    Sie wurde durch mein Mobiltelefon unterbrochen, das in Richtung Tischkante vibrierte. Ich sah aufs Display, es war Silke.
     Meine Kopfhaut spannte sich.
    »Ich muss mal«, sagte Nina, als sie meinen Blick sah. Sie stand auf und flippfloppte davon.
    »Hallo«, sagte ich ins Telefon, als meine Kollegin außer Hörweite war.
    »Ja, hallo«, antwortete Silke. Dieses Mal waren keine Hintergrundgeräusche zu hören, aber sie klang trotzdem sehr entfernt.
     »Wo bist du?«
    »Auf Gran Canaria. Und du?«
    »Zu Hause.« Noch leiser.
    Etwas in mir widersprach lautstark der Idee, diese Frage jetzt zu stellen, aber ich tat es trotzdem. »Alles in Ordnung?«
    |51| Sie schwieg. Sie schwieg viel zu lange. Ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Ein lähmendes Verlustgefühl
     überkam mich.
    »Nein«, sagte sie dann, fast nicht mehr hörbar. »Ich sollte … das ist scheiße am Telefon.« Ihre Stimme brach.
    »Sag es einfach.«
    Silke seufzte. »Ich habe jemanden kennengelernt.«
     
    Nina sagte: »Oh«, als sie zurückkam und mir ins Gesicht sah. Ich schüttelte den Kopf und teilte dann mit, Hunger zu haben.
     Wir bestellten zwei Pizzen, die wir schweigend vertilgten, dann verabschiedete ich mich und ging auf mein Zimmer. Ich hätte
     mich besaufen können, klar, aber das wäre zu einfach gewesen.

|52| 3.
    Ich erwachte, weil ich ein merkwürdiges Geräusch hörte, ein entferntes, dumpfes Klatschen, das etwa alle zwanzig Sekunden
     zu hören war, manchmal häufiger, manchmal seltener während der fünf Minuten, die ich lauschte. Es war kurz nach halb fünf
     am Morgen, ich

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