Pauschaltourist
ausgezeichnete Idee.«
Wir trafen uns eine Viertelstunde später vor ihrer Zimmertür, ohne Bimbo, der einen noch fertigeren Eindruck gemacht hatte
als sein Frauchen. Nina trug Flip-Flops, ein blau-schwarzes Strandkleid, das gar nicht schlecht aussah, und ein schwarzes
Top. Ich hatte Shorts und T-Shirt an, war aber barfuß.
Hinter dem Empfangstresen ging es zum Poolbereich, der unüberschaubar groß war. Hunderte von sauber angeordneten und vollständig
mit Handtüchern belegten (aber größtenteils ungenutzten) Liegen waren um eine Landschaft herum angeordnet, die wie eine Mischung
aus Hitlers Germania-Phantasien und diesem »Tropical Island«-Experiment irgendwo in Brandenburg aussah, von dem ich nur einige
Bilder kannte. Es war eng und gleichzeitig gewaltig groß. Immerhin gab es viel Grün.
»Wie seltsam«, sagte Nina. Ich brummte zustimmend.
Wir fanden eine Bar, deren Fußboden mit Sand bestreut war und die auf einer Insel mitten im größten Pool logierte – der einen
künstlichen Strand hatte. Das Geschrei von sehr vielen Kindern prägte die Geräuschkulisse. Ich orderte zwei große Bier und
einen Wodka. Nina sagte: »Für mich das Gleiche.«
Nachdem der Barkeeper die Getränke gebracht hatte, wobei er schmerzhaft das Gesicht verzog, als wir auf seine Bitte, bar zu
bezahlen, mit unseren All-Inclusive-Armbändchen wedelten, zog ich meine Zigaretten hervor und zündete mir eine an. Nina bediente |45| sich ebenfalls. Ein Mittdreißigerpärchen am Nachbartisch, dessen etwa acht und neun Jahre alte, pommesmampfende Scheißbären
von oben bis unten mit Ketchup beschmiert waren, warf uns böse Blicke zu und verzog sich einen Tisch weiter. Ich zwinkerte
ihnen fröhlich zu.
»Vielleicht hätte ich den Hund nicht mitnehmen sollen«, sagte Nina und legte ihre Füße auf die Sitzfläche eines Sessels. Sie
hatte zierliche Füße und schmale Waden. Überhaupt sah sie in diesem Strandoutfit völlig anders aus als in den Wurstpellehosen,
die sie in der Redaktion trug. Bis auf ihren etwas wuchtigen Hintern hatte sie eine gute Figur. Und da sie jetzt abgeschminkt
war, konnte man auch mehr von ihrem Gesicht erkennen. Sie war zwar unnatürlich braun, ansonsten aber wirklich nicht unattraktiv.
»Das kriegen wir schon hin«, behauptete ich.
Nina sah mich lange an. Dann sagte sie: »Ich weiß so gut wie nichts von dir.«
Ich kippte meinen Wodka, der etwas ölig schmeckte, und nahm einen Schluck Bier, dessen Aroma ins Chemische reichte.
»Ich bin achtunddreißig, lebe mit einer Frau und zwei Katzen zusammen, habe Publizistik studiert und im Nebenfach Literaturgeschichte,
arbeite als Hiwi für ein Reisemagazin und hocke derzeit in einem gefängnisartigen Touristen-Lager, das sich auf einer Insel
befindet, die wie ein Atomwaffentestgebiet aussieht. Dazu trinke ich mit Erdöl verschnittenen Wodka und Bier, das vermutlich
als Abfallprodukt bei der Kunststoffherstellung gewonnen wird.«
Sie grinste und prostete mir zu. »Das meiste
davon
wusste ich bereits.«
»Was willst du wissen?«
»Mmh. Lieblingsmusik?«
»Rate.«
Sie fixierte mein T-Shirt.
»Radiohead.«
»Finde ich gut, ist aber nicht mein Favorit.«
|46| »Keine Ahnung.« Sie nippte wieder an ihrem Bier und grinste dann. »Auf jeden Fall Independent-Sachen. Vielleicht Punk. Ja,
ich traue dir Punk zu, vor allem neueren Poppunk.
Green Day
und
The Offspring
, so was.«
»Alle Achtung.« Hätte sie noch
The Presidents of the USA
erwähnt, wäre ich rückwärts vom Stuhl gefallen.
»Gut, dann weiter. Fernsehen. Du bist sicher ein
Simpsons -Fan
, und diese Bestatterserie … wie hieß die noch?«
»Six Feet Under«
, hauchte ich.
»Genau. Davon hast du alle Folgen gesehen. Und dann noch
24
,
Lost
und solche Sachen.
Dexter
, vielleicht
Dr. House
, aber eigentlich ist dir das zu sehr Mainstream.
The Sopranos
und
Life On Mars
, das hast du geliebt.«
»Ich fasse es nicht«, gestand ich, ehrlich verblüfft.
Sie grinste und beugte sich vor. »Okay, Filme. Du findest Tarantino abgeschmackt und Woody Allen langweilig. Die ganzen Comic-Verfilmungen
nerven dich, weil sie die Helden deiner Kindheit verfremden. Du magst durchgeknallte Actionstreifen wie
Shoot ’em up
und
Wanted
, aber am liebsten Filme von den Cohen-Brüdern.
Fargo
und
The Big Lebowski
hast du ein Dutzend Mal gesehen. Mit dem
Dude
fühlst du dich seelenverwandt.«
»Was …?«, begann ich, aber sie unterbrach mich.
»Du trinkst leidenschaftlich gern Kaffee, aber du
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