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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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übermorgen.«
    »Willkommen in meinem Land«, sagte Robby mit vollem Mund, und da mussten wir alle lachen.
    Ein junger Marokkaner mit einem müden, aber freundlichen Gesichtsausdruck setzte sich zu uns.
    |144| »Ihr seid neu. Hallo. Ich bin Jacky«, sagte er in fließendem Deutsch. »Ich bin hier der Chefanimateur.«
    Wir stellten uns vor, wobei mir klar wurde, dass ich den ersten Animateur meines Lebens traf – und gleich noch einen Chef,
     was allerdings auch bedeuten konnte, dass er schlicht der einzige war. In diesem Laden hier hatte er sicher alle Hände voll
     zu tun – man musste die Gäste dazu animieren, nicht darüber nachzudenken, wo sie sich befanden.
    »Du sprichst tolles Deutsch«, staunte Robby.
    »Meine Mutter war Deutsche.«
    Wir nickten synchron; keiner fragte, wo sie sich befand oder in welchem Zustand.
    »Also. Wir haben hier Bogenschießen, Shuffle-Board, Wassergymnastik, Luftpistolenschießen, und wir spielen einmal am Tag Volleyball
     am Strand. Außerdem gibt es Darts.«
    »Ist ja phantastisch!«, krähte Nina vor Ironie triefend. Jacky warf ihr einen kurzen Blick zu.
    »An jedem zweiten Abend gibt’s Programm, und morgen ist Gästeshow. Wir suchen noch Leute, die mitmachen. Ist ganz leicht und
     macht großen Spaß.«
    »Gibt es hier irgendwo flüssiges Blei?«, fragte Nina.
    Jacky zog die Stirn kraus. »Warum?«
    »Weil ich eher flüssiges Blei trinken würde, als an einer verdammten Gästeshow teilzunehmen.«
    Wir lachten, aber der Chefanimateur fand das nicht so irre komisch.
    »Du kannst es dir ja noch überlegen, wir treffen uns morgen um elf im Theatersaal«, sagte er lahm, stand auf und verschwand.
     Er war nicht unsympathisch, aber er verströmte die gleiche niederschmetternde Abgerocktheit wie der gesamte »Club«.
    Auch die Bar sah aus, als hätte man sie aus einem DDR-Interhotel herausoperiert und hier wieder eingebaut. Außerdem hatte
     sich ein Hersteller von grünen und braunen Farben an diesem Bau dusslig |145| verdient – vor sehr langer Zeit. Bis auf die seltsam orangefarbenen Tapeten in den Zimmern gab es hier keinen anderen Farbton.
     Sogar die Kellneruniformen waren im Corporate-Farbdesign gehalten.
    Weil Nina es sowieso tun würde, beschloss ich, ebenfalls einen über den Durst zu trinken. Robby und Kevin machten zwei Runden
     lang mit und verabschiedeten sich dann, um die hoteleigene Discothek zu erkunden, deren dumpfes Pochen den Boden vibrieren
     ließ. Als wir bei der vierten Runde – Bier und Wodka im Zweierpack – waren, schlug Nina vor, ebenfalls nach unten zu gehen.
     Große Lust hatte ich nicht, weil ich davon ausging, Nadine und ihren neuen Surfbesamer dort zu treffen. Andererseits gab es
     wirklich nichts Besseres zu tun. Also schlurften wir die ausgetretenen Stufen hinunter und betraten ein waschechtes Museum.
    Jacky mimte den Plattenaufleger, und das angesichts der verfügbaren Ausstattung nicht einmal schlecht. Die Tanzfläche war
     mit verkratztem Linoleum ausgelegt, die Effekte stammten aus einer Zeit, bevor man Discothekenbeleuchtung so genannt hatte,
     und der Sound erinnerte mich an die Stereoanlage meines ersten Autos – ein schon leicht angeditschter Audi 80, den sein Vorbesitzer
     mit billigen Drei-Wege-Regalboxen und einem Conrad-Verstärker ausgestattet hatte, wobei die Hochtöner der Boxen zerrissen
     waren. Es gab also nur Bässe und Mitten, wie auch hier. Ab und zu tupfte einer der vier Lautsprecher, die man um die Tanzfläche
     herum aufgehängt hatte, einen überraschenden, leicht schnarrenden Hochton in den Brei. Trotzdem war es genug, um zu tanzen,
     was verblüffenderweise mehr als dreißig ziemlich junge Leute ausgelassen taten. Darunter Nadine, Madeleine und die beiden
     Blondschöpfe, die, wie ich neidvoll anerkennen musste, aus der Menge herausragten wie Pinguine aus einem Spatzenschwarm. Ich
     atmete tief durch und setzte mich mit Nina an die Bar, wo wir unser Tun von vorhin wiederaufnahmen.
    Zwei oder drei Runden später, schon etwas angedüselt, bekam ich im Augenwinkel mit, wie die beiden Mädchen mit ihren Neueroberungen |146| verschwanden. Nina legte mir eine Hand auf die Schulter; ich kämpfte gegen etwas an, das sich aus gekränkter Eitelkeit, Wut
     und tauber Sehnsucht formierte.
    »So ist das eben«, lallte sie. Ich nickte nur und orderte eine weitere Runde. Mit meinem internetfähigen Smartphone hatte
     ich derweil – trotz der quälend niedrigen Übertragungsgeschwindigkeit – bei einem deutschen Reiseveranstalter

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