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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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zusammengenommen sicher immer noch weit weniger als so manch einwöchige »Testreise«, die unsere Kollegen nach Mauritius oder
     an andere First-Class-Ziele unternahmen. Auch wenn die meisten davon von den Veranstaltern gesponsert wurden.
    Als wir mit dem Einchecken fast fertig waren, betraten zwei blonde Männer die Lobby, geschätzt Ende zwanzig, braungebrannt
     und objektiv gutaussehend – Werbefilm-Surfertypen. Sie setzten ein strahlendes, weißzahniges Lächeln auf und sprachen französisch
     mit der Rezeptionistin. Ihr Gepäck bestand aus mehreren großen Koffern und einigen Metallcases. Nadine, die sich bis zu diesem
     Augenblick an mich gelehnt hatte, riss den Mund |142| auf, ohne ihn wieder zu schließen, machte einen Schritt beiseite und stieß Madeleine in die Seite, die ihrerseits starrte.
     Meine Knie wurden weich. Als die beiden dann noch mit breiten Lächlern der französischen Weißzahnmuskelblondkerle bedacht
     wurden, flimmerte es mir vor Augen. Ich war eifersüchtig, und ich hatte keine Chance. Die hätte ich nicht mal vor zehn Jahren
     gehabt.
    »Wie gewonnen, so zerronnen«, flüsterte mir Nina ins Ohr. Wie gelähmt konnte ich nur nicken, und mir wurde übel. Zum Glück
     verabschiedeten sich die Rostocker sofort, um auf ihre Zimmer zu gehen, und ich schlurfte meiner Kollegin hinterher; wir hatten
     Zimmer nebeneinander, ebenerdig, mit Blick auf den Pool.
    Es war dunkel in meinem Zimmer, und es wurde nicht sehr viel heller, als ich die schweren dunkelgrünen Vorhänge beiseitezog.
     Immerhin hatte ich eine kleine Terrasse mit zwei Plastikstühlen und einem Plastiktisch und nur ein paar Schritte zum großen,
     quadratischen Pool zu gehen, dem man von hier aus ansah, dass er renovierungsbedürftig war. Das galt für die gesamte Anlage.
     Mein Zimmer wirkte … ostalgisch. Vielleicht gefiel es den ostdeutschen Berufsschülern – blass-orangefarbene Tapeten, ein furnierter
     Tisch auf schmalen Füßen, Lampen aus dem Kombinat Volksbeleuchtung und ein viel zu kurzes Bett, mit einer schmutzig-bunten
     Tagesdecke. Ich warf mich rücklings darauf und zündete mir eine Zigarette an. Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich an
     die Mädchen dachte, vor allem an das eine. Ich war nicht verliebt oder so, aber mein Ego war schwer – übelst – angeschlagen.
     Dieser kurze Moment an der Rezeption hatte deutlich gemacht, wie es zu meinem seifenblasenmäßig zerplatzenden Liebesglück
     gekommen war, das nunmehr – keine drei Stunden später – der Vergangenheit angehörte, wie ich sicher zu wissen meinte.
    Und sich wenig später als Tatsache herausstellte. Nina und ich teilten beim Abendessen einen Tisch mit Robby und Kevin, aber
     Nadine und Madeleine saßen bei den Extremsportlern, sechs Meter von uns entfernt. Nadine schenkte mir ein entschuldigendes, |143| aber auch ein bisschen hämisches Lächeln. Ich ignorierte sie und konzentrierte mich darauf herauszufinden, was man uns serviert
     hatte. Das aber war auch diesmal unmöglich. Waren die Fischnudeln und das Reptilienschnitzel schon seltsam gewesen, sie erschienen
     mir im Nachhinein als kulinarische Offenbarungen im Vergleich zu diesem Zeug hier. Man bemühte sich nicht mal, es wie irgendeine
     bekannte Speise aussehen zu lassen. Graubrauner Matsch, umgeben von graubraunem Matsch, übergossen mit graubraunem Matsch.
     Und es roch wie –
graubrauner Matsch
.
    »Drei Sterne, Landeskategorie«, erklärte Nina grinsend und zündete sich eine Zigarette an. Landeskategorie. Das entwickelte
     sich zum Treppenwitz.
    »Wann sind die hier zuletzt kategorisiert worden?«, fragte ich. »Ronald Reagan muss da noch US-Präsident gewesen sein.«
    »In seiner Frühphase«, nickte Nina. Kevin und Robby sahen uns verständnislos an, während sie die widerwärtige Grütze schlabberten
     – vermutlich hatten sie noch nie von Ronald Reagan gehört. »Könnte was mit Bohnen sein«, mutmaßte Robby mit Blick auf seinen
     Teller. Kevin schüttelte den Kopf. »Nee, ich glaube, das ist Fisch.«
    Immerhin gab es auch hier unser neues Lieblingsbier. Aber wir mussten etwas essen. Also stellten wir uns am sogenannten Nachspeisenbufett
     ein paar Sachen zusammen, die halbwegs genießbar aussahen, und spülten sie mit Bier herunter.
    »Wir werden hier noch verhungern«, klagte Nina.
    »Sind ja nur noch fünf Tage.«
    »Fünf Tage! Das übersteh ich nie.«
    »Ich schaue nachher noch mal ins Internet. Vielleicht gibt’s doch noch Flüge, morgen oder

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