Pauschaltourist
Nadines offenherzige Neugier hatte an dieser Stelle ein abruptes Ende gefunden. Was mich ein bisschen
freute, war die Tatsache, dass sie fast schon beleidigt darüber war, nicht wirklich das Interesse der Männer erregt zu haben.
Sie war verletzt und ich schadenfroh. Ein anderer Teil von mir war aufrichtig erfreut darüber, dass sie das Angebot abgelehnt
hatte – davon abgesehen stellte es wahrscheinlich ein hohes Risiko dar, in einem islamischen Land heimlich Pornos zu drehen.
Irgendwann, eine halbe oder ganze Stunde später, Madeleine hatte zweimal Nachschub geholt, während Nadine und ich auf Distanz
blieben, sahen wir Robby und Kevin mit zwei Mädchen aus dem Hinterausgang kommen. Kevin entdeckte uns und machte irgendeine
Geste, ich grüßte zurück – und freute mich für die beiden. Die vier verschwanden in Richtung Strand.
|149| »Ich geh dann mal«, sagte ich nach dem letzten Bier, schnappte mir meine Wasserflasche und winkte ab, als Madeleine anbot,
noch etwas zu holen. Nadine sah auf, ich zwinkerte ihr zu und lächelte etwas mühsam. In ihren Augen glitzerte es, und da am
Himmel immer noch Wolken hingen, konnten das keine reflektierten Sterne gewesen sein.
|150| 5.
»Du hast ’ne Meise«, sagte Nina zu mir, nicht zum ersten Mal auf dieser Tour, wie ich wohl bemerkt hatte.
»Warum? Das ist doch genau das, weshalb wir hier sind. Tuchfühlung. Alles mitmachen.«
»Aber, Jesus. Du machst dich zum Vollobst. Es wird Videos von dir auf You Tube geben.«
»Du weißt doch überhaupt nicht, welche Rolle ich spielen werde.«
»Na ja, aber es wird sicher nicht Professor Robert Schuster in Bernhards
Heldenplatz
sein. Sondern übelster Klamauk. Irgendwelche Sketche, Männer in Frauenklamotten, unterste Schublade. Tu dir das nicht an.«
»Ach komm, wenn wir das zusammen machen, wird es sicher lustig.«
»Du hörst dich schon wie einer von denen an.« Sie nickte seitwärts in Richtung des Nachbartischs, wo sich fünf junge Leute
trotz des widerwärtigen Kaffees zu amüsieren schienen. »Außer dem habe ich das gestern schon gesagt – ich trinke eher flüssiges Blei, als bei so was mitzumachen.«
Es war kurz nach halb elf, und obwohl es sonst schon nicht viel Gutes über dieses Hotel zu sagen gab, wurde uns immerhin noch
ein sehr origineller Kaffee-Euphemismus serviert. Dazu gab es aber Croissants, für die man einen französischen Bäcker zwar
standrechtlich erschossen hätte, die aber unter den gegebenen Umständen fast genießbar waren.
Nina wirkte so zerzaust, wie ich das während der vergangenen zehn Tage schon häufiger erlebt hatte, aber die Wirkung des Alkohols
schien bei ihr grundsätzlich sehr schnell nachzulassen. Die |151| leichte Rötung ihres Augenhintergrunds war schon so gut wie verschwunden, und auch ihre Hände oszillierten inzwischen mit
niedrigerer Frequenz.
»Und was soll ich machen?« Sie sah zum Fenster. Es regnete zwar nicht mehr, aber die niedrige Wolkendecke machte auch keine
Anstalten, nachhaltig aufzureißen.
»Wie wär’s mal mit Schreiben?«, schlug ich vor. »Den letzten Artikel habe ich alleine zusammengestoppelt.«
Nina nickte. »Aber das war ein
Hammer
. Alle Achtung.
Angst und Schrecken in Maspalomas
. Ich habe mich schlappgelacht, und du hast nicht mal besonders übertrieben.«
»Eigentlich überhaupt nicht. Und, äh. Danke.«
»Ob es an der Bar Strom gibt? Der Akku von meinem Laptop hält höchstens ’ne halbe Stunde.« Sie grinste, und ich sparte mir
jeden weiteren Kommentar.
Da die Probe erst in einer halben Stunde sein sollte, ging ich zum Bogenschießen. Das hatte ich, wenn ich mich recht erinnerte,
irgendwann in meiner Schulzeit probiert.
An der Animations-Hütte, einem ulkigen Holzbau nicht weit hinter dem Pool, warteten bereits fünf Urlauber, darunter Kevin
und Robby, die mich freudig begrüßten. Die anderen drei waren mittelalte Damen aus Belgien. An der Wand der Hütte hing ein
laminierter, verblichener Animationsplan, der sich vermutlich in diesem Jahrtausend überhaupt noch nicht geändert hatte, und
die Fensterklappe war verschlossen. Die beiden erzählten mir, supersüße Mädchen aus Heidelberg kennengelernt zu haben, die
allerdings heute – leider – einen Ausflug nach Casablanca machten, weshalb meine Rostocker die Zeit totschlagen müssten. Dann
kam, wie nicht anders vermutet, Jacky. Er wirkte sehr müde, zwang sich aber ein Lächeln ins Gesicht. Wenn er diesen Job tatsächlich
alleine ausfüllte,
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