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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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hatte er bereits Wassergymnastik und Shuffle-Board hinter sich.
    |152| »Ich mache bei der Gästeshow mit«, verkündete ich zu Jackys geheuchelter Freude, Kevin und Robby brachen in Gelächter aus.
     Ich warf ihnen gekünstelt-böse Blicke zu, während der Chefanimateur einen professionellen Bogen, Saison 1992, und einen Köcher
     mit Pfeilen aus dem Kabuff holte.
    »Wer wird Schreiber?«, fragte er, als wenn das eine wahnsinnig aufregende Sache wäre. Er wiederholte die Frage in drei weiteren
     Sprachen, bei der französischen Version nickte dann eine der Belgierinnen. Wir stapften im Gänsemarsch durch das Gelände,
     dem man hier und da noch ansah, dass es eigentlich mal mit sehr viel Sachverstand gestaltet worden war, und kamen zum Schießplatz,
     einem sandigen, schmalen Rechteck von fünfzehn Metern Länge, an dessen Ende eine ziemlich zerfetzte Stroh-Zielscheibe stand,
     deren Markierungen kaum noch zu erkennen waren. Da es nur einen Armschutz gab, gestaltete sich unser kleines Turnier sehr
     mühselig, zudem waren die Damen grobmotorisch veranlagt und mit der Aufgabe überfordert, trotz Jackys stoischer Unterweisung.
     Als sich eine an der Bogensehne – trotz Schutz – die Haut aufschürfte, verschwanden die Frauen meckernd. Also waren wir nur
     noch zu dritt.
    »Wenn du dich eine halbe Stunde hinlegen willst – wir kriegen das auch alleine hin«, sagte ich zu Jacky, der dankbar nickte.
    »Wir sehen uns dann gleich im Theatersaal.«
    Der Bogen war solide, und das Schießen machte trotz der altersschwachen Scheibe so großen Spaß, dass wir fast die Zeit vergaßen.
    »Du musst«, sagte Robby irgendwann grinsend zu mir. Da lag ich mit zwei Punkten hinten, Kevin war abgeschlagener Dritter.
    »Eine Runde noch«, forderte ich. Eine Runde bestand aus drei Pfeilen, und ich hatte während der letzten zwei sehr gut getroffen.
    »Eine«, bestätigte Robby.
    Mein erster Pfeil traf ins Schwarze, und der zweite, für den ich den Bogen mächtig spannte, pfiff fast genau mittig durch
     die Scheibe |153| hindurch, als wäre sie nicht existent. Kurz darauf hörten wir einen Schrei.
    »Nee, oder?«, fasste Kevin verblüfft zusammen, was wir alle drei dachten.
    »Wir sollten nachschauen«, schlug sein kompakter Kumpel vor.
    Ich war schockiert und zu keiner Antwort fähig. Hinter dem Schießplatz befand sich ein kleiner, ungepflegter Kakteengarten,
     der auch leicht anstieg, so dass ein von unserer Position abgeschossener Pfeil eigentlich nicht den dahinterliegenden Strand
     erreichen konnte. Was aber, wenn doch? Und was, wenn ich gerade jemanden mit Pfeil und Bogen verletzt oder sogar, heilige
     Scheiße,
erschossen
hatte? Ich ließ den Bogen fallen. Robby rannte los. Als er die Kakteen erreichte, wurde er langsamer und ging vorsichtig zwischen
     den krüppligen Pflanzen hindurch. Dann war er nicht mehr zu sehen. Kevin sah mich mit belustigtem Erstaunen an.
    »Mit dir erlebt man was.«
    Ich schüttelte nur den Kopf und hoffte auf Robbys Rückkehr.
    Das geschah auch ein paar Minuten später, aber er kam nicht alleine zwischen den Kakteen hervor, sondern in Begleitung einer
     sehr viel älteren Dame, die ein weißes Knäuel im Arm hielt. Schon von weitem konnte ich Robbys angestrengte Grimasse erkennen,
     und als er näher kam, sah ich, dass er sich das Grinsen verbiss. Die Frau trug einen kleinen toten Hund in den Armen, einen
     Shi-Tsu oder so, aus dem schräg seitlich und gut erkennbar mein letzter Pfeil ragte.
    »Ach du Scheiße«, sagte Kevin und kämpfte ebenfalls mit seiner Mimik.
    »Hansi hat nur Pipi gemacht«, sagte die Frau mit tränenerstickter Stimme. Dann sah sie den Bogen, der zu meinen Füßen lag.
     »Sie haben Hansi ermordet.«
    »Das tut mir sehr leid«, antwortete ich fast ehrlich. »Aber warum lassen Sie Ihren Hund auch hier hinter dem Schießplatz pinkeln?«
    |154| »Ich wusste nicht, dass hier eine Schießanlage ist«, sagte sie heulend und streichelte das tote Tier, als könne sie es dadurch
     wiederbeleben.
     
    Ich verpasste die Hälfte der Theaterprobe, weil wir vorher noch Hansi bestatten mussten. Kevin besorgte am Strand eine rote
     Kinderschippe, mit der ich ein knietiefes Loch zwischen den Kakteen aushob, wo die Erde glücklicherweise ziemlich locker war.
     Die Dame holte Hansis Lieblingsdecke, in die sie ihn – nach wie vor heulend – einwickelte, nachdem ich ihm den Pfeil aus dem
     Leib gezogen hatte, was mich beinahe kotzen ließ. Schließlich standen wir zu viert, fast feierlich

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