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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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Heiß-Kalt-Anfällen – glücklicherweise ging es wenigstens
     bergab – schlurfend verbrachte, wobei ich alle zehn Sekunden die Anzeige des Telefons kontrollierte, erschien zaghaft ein
     winzig kleiner Balken, der etwas wie Empfang signalisierte. Ich erstarrte, um das bisschen Netz auf keinen Fall zu verschrecken.
     Es dauerte fünf Minuten, bis ich meine Koordinaten von einer Online-Karte ablesen konnte, die ich mit dem Finger im Straßenstaub
     notierte. Dann rief ich Nina an.
    »Hol dir sofort was zum Schreiben«, befahl ich.
    »Was ist los? Wo bist du?«
    »HOL! WAS! ZUM! SCHREIBEN!«, brüllte ich und fühlte dabei, wie meine Speiseröhre krampfte.
    »Ich sitze vor meinem Laptop.«
    »Notier dir das hier.« Dann gab ich die Koordinaten durch.
    »Hab ich. Was ist los?«
    »Man hat mich im Gebirge ausgesetzt, mitten im Nichts. Du musst mich abholen.«
    »Wie soll ich das machen?«
    »Nimm ein Taxi oder klau ein Auto, ist mir scheißegal. Nur hol mich ab. Mir geht’s wirklich dreckig.«
    »Bin auf dem Weg.«
     
    Ganze zwei Fahrzeuge kamen während der folgenden anderthalb Stunden vorbei, ein röhrender Kleinlaster, der weit über die Beladungsgrenze
     hinweg mit Tierkäfigen vollgestellt war, und ein steinalter Strich-Achter, der mich beinahe umnietete. Keines der beiden Fahrzeuge
     drosselte auch nur andeutungsweise das Tempo.
    |169| Und dann traf die Rettung ein. Ein zwanzig Jahre alter weißblauer Daimler kam den Berg hochgeprescht, und ich war schon wieder
     bereit, aus dem Weg zu hechten, notfalls hinein in die Schlucht, aber das Auto hielt an. Nina und ein breit grinsender Marokkaner
     stiegen aus.
    »Dich kann man keine Sekunde alleine lassen«, sagte sie, umarmte mich dann aber herzlich. Ihr Atem roch nach Schnapsfabrik.
    »Ich will hier weg«, antwortete ich kleinlaut.

|170| 7.
    Ich war so froh, wieder zu Hause zu sein, dass ich eine halbe Stunde lang heulte vor Glück, in der halb leergeräumten Wohnung,
     vor einem Stapel Post und mit einer Flasche Wasser in der Hand. Die Lebensmittelvergiftung, wenn es denn eine gewesen war,
     hatte sich noch am Abend meines Gebirgsabenteuers verflüchtigt, aber ich hatte mich bis zum Flughafentransfer keinen Schritt
     mehr aus dem Hotel wegbewegt. Außerdem hatte ich keinen Alkohol mehr angerührt und mich ausschließlich von Mineralwasser,
     Tee und Obst ernährt, das ich minutenlang mit Mineralwasser wusch und dann trocken fönte, bis die Schale Wellen schlug. Ich
     mied die Sonne, las in meinem Buch und sah, am Pool unter einem Schirm liegend, Nina dabei zu, wie sie Marokko trockenlegte,
     indem sie energisch die hiesigen Bier- und Spirituosenbestände vernichtete. Allah ist groß.
    Der Rückflug war zwischen Ninas Start- und Landeschrei völlig ruhig verlaufen. Wir saßen schweigend nebeneinander, und ich
     nahm an, dass meine Kollegin dasselbe dachte wie ich: ein Drittel. Wir hatten erst ein verdammtes Drittel hinter uns. Das
     verband zumindest ich mit der Hoffnung, dass es schlimmer wohl kaum noch kommen könnte.
    Auf dem Band waren sieben Rückrufbitten von Silke und eine von Steini. Außerdem eine Nachricht von Heino Sitz, der mich für
     den nächsten Tag in die Redaktion beorderte. Es klang freundlich, aber auch eine vom Zähnepfeifen begleitete Mitteilung hätte
     mich nicht aus der Fassung gebracht. Mir war alles egal, und ich meldete mich bei niemandem. Ich versprühte den Rest des Insektizids
     auf den juckend-sprießenden Schamhaarnachwuchs, nachdem ich zwanzig Minuten unter dem Duschstrahl verbracht hatte, und ging
     vor die Tür, um normale Leute zu sehen.
     
    |171| Nina und ich trafen fast zeitgleich in den Redaktionsräumen ein, wo wir mit Standing Ovations begrüßt wurden. Sitz stürmte
     aus seinem Chefbüro, umarmte erst sie und dann mich, und im Hintergrund hörte ich Party-Ralle sagen: »Die Helden.«
    »Was ist denn hier los?«, fragte meine Reisebegleitung.
    »Ihr habt keine Ahnung, oder?«, gab Sitz grinsend zurück. Dann machte er auf den Hacken kehrt, rannte in sein Büro und stand
     fünf Sekunden später wieder vor uns mit einer BILD in der Hand.
    »WEHRT EUCH!«, stand da, Schlagzeile, erste Seite. Und darunter: »Schluss mit dem Wahnsinn am Hotelpool!« Ich nahm Sitz die
     Zeitung aus der Hand. Das Boulevardblatt forderte dazu auf, es den »engagierten Journalisten« gleichzutun und den Teufelskreis
     der Liegenreserviererei zu durchbrechen. Touristen, die sich dabei fotografierten, wie sie markierte Liegenreservate

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