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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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sie den Abschluss gemacht hatte und nicht er. Diesen Charakterzug hatte ich an ihr gemocht, nein, sogar geliebt, weil
     er eine so verblüffende Wirkung hatte. Aber heute war mir nicht danach, harmonisiert zu werden oder irgendwas zu verstehen,
     das ich nicht mehr verstehen wollte, dessen tauben, sanft abklingenden Schmerz ich mittlerweile vielleicht sogar genoss. Ich
     vermisste sie, klar. Ich vermisste uns. Die zwei Wochen Pauschalterrorismus hatten Distanz geschaffen und es mir möglicherweise
     sogar einfacher gemacht. Aber jetzt in dieser Wohnung zu hocken und mir am Telefon anzuhören, dass es besser für sie, für
     mich, für uns beide und den Weltfrieden |174| sei, darauf hatte ich weniger Böcke als auf einen Glasscherbeneinlauf. Sollte sie ruhig noch ein paar Tage mit schlechtem
     Gewissen herumlaufen, schließlich hatte sie
mich
verlassen. Das führte mich zwangsläufig zur Fast-Medsger-Episode. Verdammich, jetzt hatte Silke es doch geschafft.
    Ich kapselte mich ab, schaltete alle Telefone aus, las oder sah fern, aß kiloweise Pudding mit extra viel extra dicker Haut
     und After Eight, um die Zeit bis zum nächsten Abflug totzuschlagen. Wenn ich daran dachte, überraschte ich mich damit, dass
     sich etwas in mir sogar darauf
freute
.
    Der Flug nach Palma ging um sieben, weiß der Geier, warum sie Touristen auch noch mitten in der Nacht durch die Gegend schippern,
     aber vermutlich war das ein gutes Training für das frühmorgendliche Um-den-Pool-Joggen. Ich wurde um kurz nach halb vier wach,
     sortierte meinen kaum ausgepackten Koffer neu, nahm feuchte Shirts von der Leine, trank siebzig Tassen
Guatemala Grande
und langweilte mich. Also ging ich mit meinem neuen Laptop online, der wirklich schick war. Nur die Tastatur gefiel mir nicht.
     Das ist bei Leuten, die Rechner vor allem zum Schreiben benutzen, fast die ausschlaggebende Komponente. Nachdem ich acht neue
     Mails von Marejke Medsger gelöscht hatte und dutzendweise Penisverlängerungsangebote noch dazu, surfte ich deshalb zu Ebay.
     Zwei Laptops waren schließlich besser als einer, und außerdem schlummerte die Sitzprämie auf meinem Konto. Das Modell, das
     Galadriel nach Sachsen-Lorien entführt hatte,
no
, gab’s gleich viermal. Als ich mir die Fotos des dritten Angebots ansah, das derzeit bei schlappen zweihundert Euro hing,
     schlug es mich fast aus dem Sessel. Eine Nahaufnahme des aufgeklappten Portables zeigte ziemlich deutlich, dass die Tastatur
     im Bereich der Buchstaben G, H, B, V und N Reinigungsabrieb aufwies. »Leichte Gebrauchsspuren, ansonsten sehr gepflegt und
     fast neuwertig«, hatte der Anbieter geschrieben, wodurch ich mich fast geschmeichelt fühlte. Ich klickte auf dessen Namen,
     um mir weitere Auktionen aus seinem |175| Portfolio anzusehen. Rumsdibums, gleich als Zweites wurde eine neue, ungetragene Armani-Jeans offeriert, exakt in meiner Größe,
     Gebotsstand zehn Tacken. Der Ralf-Bauer-Verschnitt und seine Engelskomplizin vertickerten ihre Beute also per Internet. Und
     das auch noch auf so dusselige Art, dass man sich sogar als Beklauter dafür schämen musste.
    Aber es war inzwischen kurz vor fünf, und ich musste mich langsam auf die Socken machen. Die Auktionen liefen noch jeweils
     acht Tage. Ich speicherte die Links und beschloss, mit Nina über die Sache zu reden. Das kam mir sogar ganz selbstverständlich
     vor. Erstaunlich.

|179| 1.
    Silke erreichte mich im Taxi, dessen Fahrer in einer Position vor dem Lenkrad saß, die unmöglich gesund sein konnte, und der
     sich vor allem darauf konzentrierte, die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit exakt einzuhalten, weshalb er kaum auf die
     Straße sah. Der Mann war geschätzt fünfundneunzig und atmete schwer. Als ich ihn fragte, ob alles in Ordnung sei, reagierte
     er nicht. Berliner Taxifahrer werden auf einem anderen Planeten geboren und heimlich vom KGB importiert. Diese Leute können
     unmöglich echte Menschen sein. Und, ja, den KGB gibt es noch.
    Das Telefon klingelte kurz nach dem Einschalten, da war es zwei Minuten vor fünf. Ich war schon etwas zu spät dran, denn wir
     hatten unsere Check-in-Zeiten auf zwei Stunden vor Abflug rekalibriert. Wahrscheinlich aber würden wir trotzdem die Letzten
     am Schalter sein. Für den nächsten Trip würde ich Nina vier Stunden Vorglühzeit empfehlen.
    »Lasse, warum rufst du nicht zurück?« Sie klang vorwurfsvoll, aber es gab noch einen anderen Unterton, irgendwie verzweifelt.
    »Silke, es ist fünf Uhr

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