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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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ich, nahm ihm den Roman aus der Hand und warf ihn demonstrativ-nachlässig aufs Handtuch.
    Ich erntete wieder das irre Grinsen, dann ging der etwa hundertfünfzig Kilo schwere, zwei Meter große Saufkoloss davon, um
     Sekunden später mit einer zweiten Literbüchse zurückzukehren, die er mir überreichte. Sie war geöffnet und halbleer. Sein
     animalischer Gestus ließ mich vermuten, dass die Wahlmöglichkeiten gering waren. Also stand ich auf, knallte meine von anderen
     angefangene Bierbüchse gegen seine, und dann nahm ich einen Schluck in den Mund. An der Oberfläche der lauwarmen Brühe schwammen
     offenbar Speichelproben diversester Quellen, möglicherweise war diese Büchse schon seit Tagesbeginn im Einsatz, um ambulant
     Mittrinker zu akquirieren. Ich kämpfte den Würgereiz nieder und tat so, als schluckte ich. Dann reichte ich die Dose zurück,
     hieb dem |190| Kerl eine Faust gegen die Brust, was der, jetzt freundlicher lächelnd, mit einem Kopfnicken quittierte. Und endlich rückte
     er ab. Ich beschloss, das Buch heute besser nicht mehr anzurühren. Als er außer Sichtweite war, spuckte ich das in der Backentasche
     Bewahrte in Lichtgeschwindigkeit vor mich in den Sand.
    Als Nächstes kamen die Schlepper. Das waren auf Pro7-Moderatorinnen-Niveau hübsche Anfangzwanzigerinnen in knappen Bikinis
     mit starken Reizwäschetendenzen, die den Strand in einer Reihe, die keine Flucht ermöglichte, abgrasten, sich jedem zuwandten,
     der noch halbwegs seine Sinne auseinanderhalten konnte (die Minderheit), und dabei Flyer oder Coupons verteilten, die beim
     Besuch irgendeiner Disco ein Freibier, ein kostenloses T-Shirt oder sonst eine Vergünstigung versprachen. Die Mädels gaben
     sich wirklich Mühe. Eine Viertelstunde und fünf Schlepperkolonnen später besaß ich Gutscheine für ein halbes Dutzend Freibiere,
     vier T-Shirts, eine Fahrt auf der »Party-Banane« – was auch immer das war – und sieben oder acht weitere Vergünstigungen,
     die ich mir keinesfalls entgehen lassen könnte. Zwei Damen hatten sogar mehr oder weniger unverblümt versprochen, in der entsprechenden
     Lokalität anwesend und mir durchaus sexuell gefällig zu sein, würde ich kommen. Hauptsache, ich vergaß nicht, den Gutschein
     an der Kasse lochen, stempeln oder sonstwie entwerten zu lassen.
     
    Ninas Telefon war aus, meine Kontaktversuche liefen ins Leere. Ich duschte, schlief eine Viertelstunde mit Ohropax in den
     Lauschern, was nicht leicht war, da meine Körpergeräusche dadurch so verstärkt wurden, dass ich ihnen minutenlang gebannt
     zuhörte. Dann begab ich mich ins abendliche Treiben, auf der Suche nach einem brauchbaren Restaurant. Ich landete in einem
     Steakhaus, wo es überraschend vorzügliche Rinderfilets gab, trank beim Essen meine Ressentiments weg und beschloss deshalb,
     den einen oder anderen Gutschein einzulösen.

|191| 3.
    »Großer Gott, was ist denn mit dir passiert?«, fragte Nina, als ich mich zu ihr an den Frühstückstisch setzte. Das Buffet
     bestand aus harten Brötchen, noch härterer Gefrierschrankbutter, einer Sorte Marmelade – ausgerechnet Orange – und einer Kochwurst,
     die überall außerhalb von Mallorca verboten sein musste, weil das Tier, aus dem sie gewonnen wurde, überhaupt nicht existierte.
     Der Kaffee war so dünn, dass man bis nach China hindurchsehen konnte. Die deutsche Tresenkraft, eine relativ junge Frau mit
     Brüsten in Ingehertagröße und Aknefurchen, in denen man
Dinge
hätte verstecken können, hatte meine Frage, ob es noch andere Varianten Kaffee gab, einfach ignoriert.
    Ich sah Nina an und überlegte, was mir passiert war. Irgendwo zwischen der Großraumdisco, in der ganz Hildesheim im Fall eines
     Erdbebens Platz gefunden hätte, und der stadiongroßen Erlebnisgaststätte, in der jemand auftrat, der (was mir bekannt vorkam)
     von Lassos, Cowboys und Indianern zu singen vorgab, aber eigentlich nur die Lippen asynchron zu einem Playback bewegte, war
     ich in eine Auseinandersetzung geraten, ohne mir sicher zu sein, an der Ursache beteiligt gewesen zu sein. Ich setzte mich
     und schlürfte das aromafreie hellbraune Zeug. Doch. Ich hatte tatsächlich meine Gutscheine abgearbeitet und mich an falscher
     Stelle – schon recht angegangen – lautstark darüber aufgeregt, dass das versprochene Freipils erst das elfte gewesen sei.
     Dann war die Situation schnell eskaliert. Derjenige, der mir einen auf die Zwölf gegeben hatte, weshalb ich jetzt noch diesen
     unangenehmen,

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