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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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begannen zu zittern. Sie griff nach dem Cognac und kippte sich die vier Zentiliter in den Hals. Dann erstarrte
     sie, den Blick auf die gegenüberliegende Wand geheftet.
    Eine Minute später trat die Medsger auf – in einem hauchdünnen, diagonal weiß-rosa gestreiften Kleid, das all meine Erinnerungen
     an den Empfang wachrief. Auch sie war mehr als verblüfft, auf wen ihr Mann hübsch zufällig getroffen war, aber Marejke war
     ein Profi. Die Verblüffung dauerte nur eine Viertelsekunde. Sie begrüßte erst Nina, die das mit starrem Blick und oszillierenden
     Mundwinkeln über sich ergehen ließ, dann Oliver und schließlich |220| mich. Dabei legte sie den Kopf schief. »Wir kennen uns, oder? Sie arbeiten für meinen Mann. Ich habe Sie beim Empfang gesehen.
     Sie waren der Champagnerkellner.«
    Ich nickte höflich und verblüffte mich selbst durch meine Schauspielkunst. Ich deutete – wie unser Gastgeber – einen Handkuss
     an und tat ansonsten so, als würde ich die Begegnung genießen. Wir nichtswürdigen Schreiberlinge inmitten dieser geballten
     Prominenz (ich notierte mir im Geist, später ein wenig über Oliver von Papening zu recherchieren)! So viel Sonne in unseren
     kargen Zeilenschinderleben! Sogar die Kellner bedachten uns mit Blicken, die sagten: Holla, von diesem Abend werdet ihr noch
     euren Kindern erzählen,
n’est-ce pas
? Aber nur in den kurzen Pausen zwischen den anhaltend gierigen Blicken nach Frau Sitz.
    Der Tisch war eigentlich nur für vier Personen geeignet, und Sitz musste sich erkennbar zwingen, nicht einfach davonzurennen,
     aber die beiden nahmen tatsächlich bei uns Platz, Frau Sitz direkt neben mir, aufgrund der räumlichen Enge sogar auf Tuchfühlung.
     Es gab in diesem Laden – von Heino Sitz abgesehen – vermutlich nur einen einzigen Mann, der mich nicht um diese Situation
     beneidete, und der war ich selbst. Und natürlich rieb sie ihren Oberschenkel an meinem. Ich war erstaunt, wie kalt mich das
     ließ.
    Von Papening orderte weiteren Champagner, und während unsere Gläser gefüllt wurden, erzählte er den Neuankömmlingen, dass
     wir uns im Hotel kennengelernt hätten, wobei er mir durch bittende Blicke zu verstehen gab, dass die offizielle Version unter
     uns bleiben sollte. Ich quittierte mit einem Nicken. Nina schluckte ihren Schampus herunter und hielt dem Garçon, der gerade
     mein Glas füllte, ihres gleich wieder unter die Nase. Sie wurde dabei von Sitz’ Frau beobachtet, und erstmals kam mir der
     Gedanke, dass sie vielleicht auch von den Gerüchten wusste.
    Heino Sitz hielt es kaum auf demselben, und deshalb drückte er beim Essen ordentlich auf die Tube. Suppe und Hauptgang, dann
     sah er mehrfach ostentativ auf die Uhr. »Meine Maschine |221| geht morgen in aller Frühe«, erklärte er schließlich. Von Pappe machte ein beleidigtes Gesicht. »Und Sie?«, fragte er, an
     Madame Medsger gewandt.
    »Ich bleibe noch ein paar Tage«, flötete sie. »Vielleicht besuch ich euch mal in diesem originellen Club.« Dabei sah sie mir
     erstmals voll in die Augen. Ich hielt ihrem Blick stand und versuchte, etwas wie Gleichgültigkeit in meinen zu legen. Keinen
     Schimmer, ob das gelang.
     
    Auf der Rückfahrt schwieg Nina, dafür plapperte der ordentlich angetrunkene Fahrer quasi ununterbrochen darüber, wie lange
     er Sitz schon kannte (nämlich »seit der Akademie«), der Birte – seine Stimme brach bei der Erwähnung dieses Namens – und ihn
     früher so gerne und oft besucht habe. Ich konzentrierte mich auf die Straße, als wenn das helfen würde, aber von Pappe gehörte
     offenbar zu der Kategorie Mensch, die die Fähigkeit, unter Drogeneinfluss ein Auto zu führen, als letzte verliert. Er fuhr
     erstaunlich sicher. Als wir das Hotel erreichten, war es kurz nach Mitternacht. Nina sprang aus dem Wagen und nahm schnurstracks
     Kurs auf die Bar. Ich verabschiedete mich von meinem Schützling und folgte ihr.
     
    »Du solltest diesen Mann einfach in den Wind schießen«, sagte ich zu der Bierflasche, einer von zehn, die geöffnet auf unserem
     Tisch standen, davon zwei vor mir und acht vor meiner Kollegin. Da in der Bar ab eins nicht mehr serviert wurde, hatte Nina
     beim Last Call gleich auf Vorrat bestellt. Jetzt saß sie vor mir und trank weinend aus der Flasche. Das Areal um den Pool
     herum war noch recht gut besetzt. Ein Pärchen warf mir vom Nachbartisch aus vorwurfsvolle Blicke zu.
    »Wenn ich es wenigstens verstehen würde«, sagte sie tränenerstickt.
    »Hast

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