Pauschaltourist
kurz auf dem Hotelparkplatz, bis ein gewaltiger Landrover Defender vorfuhr, in der Cabrioversion – wahrscheinlich
der offene Wagen mit dem schlechtesten CW-Wert überhaupt und eine Wand auf Rädern. Oliver von Dingenskirchen trug einen teuren
Anzug und die fruchtfarbene Brille, die ich am Abend vorher gesehen hatte. Aus der Nähe sah sie sehr teuer aus. Er sprang
aus dem Auto, umrundete es beeindruckend flink und hielt Nina die Tür auf. Meine Kollegin bedankte sich mit einem Knicks und
setzte sich auf den Beifahrersitz. Auf sehr damenhafte Weise hob sie kurz das Gesäß an, um den Stoff ihres malvenfarbenen
Sommerkleids glattzustreichen. Die Porschebrille trug sie im Haar, das sie vermutlich mit einem Lockenstab bearbeitet hatte.
In meinen Jeans kam ich mir mächtig underdressed vor, aber immerhin trug ich ein Polohemd und Halbschuhe. Es war, als wären
die beiden meine Eltern und ich ihr
Jüngelchen
. Das Wort hatte sich in meinem Hirn festgesetzt.
»Wollen Sie fahren?«, wurde ich gefragt. Ich schüttelte den Kopf. Autofahren gehörte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.
Das war mir meistens einfach zu anstrengend.
»Na dann.« Ich kletterte auf die Rückbank, und wir kachelten vom Hof. Nicht wenige Urlauber stierten uns hinterher.
»Warum wohnen Sie eigentlich in solch einem Hotel?«, schrie ich in den Fahrtwind und wies hinter mich.
Er drehte sich kurz um und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße. »Finden Sie mal was Familienfreundliches im Premium-Segment.
Eine Unterkunft, in der Kinder wirklich willkommen sind. Schwierig. Außerdem mochte Birte die Idee, den Kleinen Kontakt zu
normalen Kindern zu ermöglichen, wenigstens im Urlaub.«
|216| »Warum sind Sie überhaupt hier?«, fragte Nina.
Der Wagen machte einen Schlenker, ich hielt mich an einer Seitenstrebe fest.
»Die Straße ist da vorne«, sagte sie. Er nickte.
»Ich habe immer noch die Hoffnung, dass sich all das als Irrtum erweist. Dass Birte und die Kinder plötzlich hier auftauchen.«
Er sagte das so leise, dass ich mich vorbeugen musste. Nina legte ihm tatsächlich kurz die Hand auf den Oberschenkel. »Wir
haben diesen Urlaub schon vor drei Monaten geplant. Deshalb auch dieses Auto.« Dann schwieg er.
Wir fuhren eine ganze Weile, fast immer an der Küste entlang. Mir kam dieser häufig kolportierte Spruch in den Sinn: »Mallorca
ist
eigentlich
eine sehr schöne Insel.« Was ich sah, bestätigte das, aber mit den ganzen alemannischen Wir-wollen-es-wie-zu-Hause-haben-Touris
war es wie eine prächtige Sahnetorte mit einem Überzug aus Sürströmming, dieser skandinavischen Delikatesse aus fauligem Fisch.
Irgendwann lenkte Oliver den monströsen Jeep in einen Waldweg, es duftete nach gesunder Natur. Nach einigen hundert Metern
tauchte ein flaches, unspektakuläres Gebäude auf. Wir hielten, und unser Gastgeber erklärte, dass man auf dieser Seite der
Insel, vielleicht aber auf ganz Mallorca nirgends besser essen könne. Er war der erste Deutsche, der mir hier begegnete und
Majorca
sagte. Die anderen hatten es mit Doppel-L ausgesprochen.
»Mit Verlaub, warum eigentlich diese seltsame Sonnenbrille?«, fragte ich beim Digestif, einem Cognac, der so alt war, dass
er von den Cro-Magnons eingelagert worden sein musste. Die Speisekarte, die wir bekommen hatten, enthielt keine Preise, aber
ich schätzte, dass wir einen sehr hohen dreistelligen Umsatz generiert hatten. Champagner, dann irgendwas mit Trüffeln, gefolgt
von sechs Gängen, von denen jeder den vorigen übertraf. Okay, das Dessert bestand
nicht
aus Pudding mit dicker Haut, das wäre vielleicht zu viel |217| verlangt gewesen. Aber ich war trotzdem pappsatt und äußerst zufrieden.
Oliver, den wir nach einem etwas peinlichen Ritual zwischen Vorspeise und Suppe (Hummer mit einer Essenz aus den Organen bedrohter
Arten oder so) duzten, hielt sein Glas ins Licht. »Die Brille hat Maximilian ausgesucht, der kleine Mann. Papa, schöne Brille!,
hat er gerufen, und da musste ich sie natürlich kaufen. Und tragen. Wenn die drei kommen, und ich habe eine andere Sonnenbrille
auf, wird er traurig sein.«
Aber sie werden nicht kommen, dachte ich. Armer verpeilter Kerl. Lässt sich am Pool von Furien anmachen, hofft darauf, dass
das Verlassenwerden nur ein Irrtum war, trägt eine Kinderbrille, damit der Filius nicht weint, wenn Papa ohne das lächerliche
Teil in der Sonne hockt. Wenn das die Art von Männern war, von denen Nina meinte,
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