Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennecke,Jürgen
Vom Netzwerk:
Sonntag und trotzdem
haben hier Lebensmittelgeschäfte geöffnet. In einem Bäckerladen erwirbt Heidi
kurzerhand Kuchen und Brötchen. Wir betrachten eine Zeit lang, wie liebevoll
Frauen den Eingang einer Kirche mit bunten Blumenblüten schmücken und sind von
dem Aufwand, den sie betreiben, fasziniert. Wenig später sitzen wir auf einer
Bank im Schutz von Bäumen, genießen den frisch gebackenen Kuchen und beobachten
wie Rudi, voll konzentriert mit seinen Nordic-Walking-Stöcken vorbei eilt.
Nachdem wir uns bemerkbar gemacht haben, setzt er sich zu uns. Unser Kuchen,
den Rudi dankend probiert, schmeckt auch ihm, und so teilen wir nach echter
Pilgermanier. Wir besprechen, das wir heute noch bis Vega de Valcarce wandern wollen, um morgen am Fuß des nächsten 1300 m hohen Berges zu starten.
Der Tag, obwohl wir immer noch durch recht flaches Gelände wandern, zieht sich
hin. Wir kommen trotz wenige Pausen nur schleppend voran. Heidi macht ihr
angeschwollener rechter Fuß Probleme, dementsprechend zieht sie ihr Gesicht in
die Länge. Sie wirft mir vor, ich würde nur so einen Druck machen, um Angelika
und Wolfgang einzuholen und hat damit natürlich Recht. Ich lasse auch nicht den
geringsten Zweifel am ehrgeizigen Etappenziel des heutigen Tages aufkommen und
nenne sie provozierend „Quengelheidi“. Wir erwerben von einem Obstbauern für
drei Euro eine große Tüte Kirschen am Wegesrand und verputzen sie vollständig,
während wir weiter wandern. In Villafranca del Bierzo wird das
frische Obst Heidi fast zum Verhängnis. Um dringend eine Toilette nutzen zu
dürfen, verlangen Inhaber von Hotels und Pensionen die unmittelbar am Camino
liegen, dass sie ein Zimmer für wenigstens eine Nacht mietet, um sich von ihrer
Last zu befreien. Unverschämtheit finde ich, aber Heidis Augen lassen die
größer werdende Not nicht länger leugnen. Ich nehme ihr den Rucksack ab,
während sie in das nächste Café stürmt und auf einen barmherzigen Besitzer
trifft. Wir erreichen am Nachmittag den kleinen Ort Trabadelo und
machen gegenüber der Bar eine ausgedehnte Pause. Unter dem mit Stroh bedeckten
Dach können wir der Sonne entfliehen und lassen uns auf den roten
Kunststoffstühlen gemütlich nieder. Wir essen eine Kleinigkeit und machen uns
an den Rest der 20. Etappe unserer Reise.

    Hinter La Portela kann ich Heidi nur noch vom Weitergehen überzeugen, wenn ich neben meinem auch
noch ihren Rucksack schleppe. So vollbringen wir die längste Tagesstrecke. Am
Ziel erwartet uns nach über 42 km Vega de Valcarce. Unmittelbar
am Ortseingang befindet sich eine brasilianische Herberge. Der zweigeschossige
Flachbau wirkt nicht unbedingt einladend, ist aber auf Grund mangelnder
Motivation nicht mehr zu umgehen.

    Für Übernachtung und Abendbrot
sind 42,- € fällig. Der Schlafsaal ist mit 24 Betten komplett ausgebucht.
    Das Abendessen nehmen wir
gemeinsam mit drei Franzosen ein, die wir inzwischen auch schon des Öfteren
gesehen haben. Unsere Gastgeberin heißt Christina, eine waschechte
Brasilianerin, die uns gegen 18:00 Uhr zum Pilgermenü einlädt. Allein für ihre
durchaus angenehme Begrüßung braucht die Señora eine gute halbe Stunde. Sie
steht mit Kochmütze und grüner Schürze an der Stirnseite des Tisches und
gestikuliert mit einer schauspielerischen Leistung, dass es wie eine
einstudierte Show wirkt. Danach wird der erste Gang, der aus Salat besteht
serviert, später gibt es Bohnen und Reis, was tatsächlich schmackhaft ist. Zum
Nachtisch gibt es einen Keks mit einer Nusscreme und ganzen Nüssen. Dazu wird
Rotwein in Karaffen gereicht, die nach jedem Einschenken mit einem
Perlendeckchen überhangen werden.
    Später sitzen wir noch draußen
vor der Herberge und bestaunen die gewaltige Autobahnbrücke, die in circa
fünfzig Metern Höhe das gesamte Tal überspannt. Gerade hier wird uns das
Zusammenspiel von Vergangenheit und Gegenwart deutlich. Bei Musik von Enya
genießen wir die Ruhe im Tal.
    Wir telefonieren mit unseren
bayrischen Freunden und erfahren, dass sie nur fünf Kilometer Vorsprung haben.

     
     
    15.06.2009

Vega
de Valcarce — Triacastela 34 km
     
    Um 6:30 Uhr sind wir wieder auf
dem Pilgerhighway. Vor uns liegt der Pass von O Cebreiro, ein
Berg von 1300 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. In deutschsprachigen
Pilgerkreisen wird dieser Pass auch als „Oh! Krepiero“ bezeichnet. Nach ein
paar Kilometern auf der Straße bis Ruitelán geht es durch den
Wald, für Heidi gefühlt im rechten Winkel nach oben. Bis La

Weitere Kostenlose Bücher