Pausen tun uns gar nicht gut
Faba ,
dem nächsten Dorf, sind es nur 1 km, dazwischen liegen aber allein 225
Höhenmeter. Ich bin schweißgebadet, als ich dort ankomme. Von Heidi ist weit
und breit nichts zu sehen. Eine junge englisch sprechende Damengruppe, die kurz
vor mir eintrifft, überbietet sich mit Schimpfwörtern. Ich verstehe „Crazy bull
shit“ und „fucking backpack“, was ich als verrückte Bullenscheiße und
Scheiß-Rucksack übersetze. Eine Viertelstunde später, erkenne ich Heidi. Ihr
puterroter Kopf hebt sich deutlich von der üppig grünen Landschaft ab. Völlig
entkräftet und nach Luft japsend, sagt sie den Satz den ich von ihr auf dieser
Reise schon mehr als hundert Mal gehört habe: „Ich kann nicht mehr“.
La Faba ist ein beschauliches
Fleckchen Erde mit höchstens 30 Einwohnern. Obwohl dieser Ort nur aus einigen
Häusern besteht, deren Bewohner einen herrlichen Ausblick über das Land genießen,
gibt es dort gleich neben der kleinen Kirche eine sehr nette Herberge mit 30
Plätzen im ehemaligen Pfarrhaus. Diese wird von einem deutschen Jakobusverein
aus Stuttgart geführt und allseits gelobt. Das Wetter ist zu gut,
und der Zeitpunkt, für heute schon Schluss zu machen, wäre unverzeihlich früh.
In der einzigen kleinen Bar des Ortes, erwerben wir nahezu alle befindlichen
Wasserflaschen aus der Kühlbox und schütten sie in uns rein. Noch bevor wir die
Bestellung für das Frühstück aufgeben wollen, treffen Angelika und Wolfgang
ein. Begeistert begrüßen wir uns und frühstücken anschließend gemeinsam. Wir
haben uns viel zu erzählen, und so beschließen wir später, auch gemeinsam
weiter zu pilgern. Wir gehen weiter bergauf, und laut Tageskarte wird der Weg noch
einmal dramatisch an Härte zunehmen. Laguna de Castilla, das wir
schnell hinter uns lassen ist nun der letzte Ort vor dem Land des Apostels.
Kurz dahinter erreichen wir den Grenzstein, der uns anzeigt, dass wir Kastilien
verlassen und das von uns ersehnte Galizien betreten. Der Weg in das 1 km
entfernte O Cebreiro gibt kurz vor der Bergkuppe einen
bezaubernden Blick auf die vor uns liegende Landschaft frei. Ein großzügiger
Bergrücken mit Ginster bewachsen, tief eingeschnittene Täler und saftig grünen
Wiesen, so völlig anders, als noch in den voran gegangenen Tagen.
Noch 152 km sind es bis nach Santiago
de Compostela und von jetzt an, werden uns diese Kilometersteine
begleiten.
In 1293 Meter Höhe, in O
Cebreiro, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die kleinen mit
Stroh gedeckten Bauernhäuser aus Bruchsteinen sind in ihrer Bauweise ganz dem
rauen Klima angepasst. Diese „Palloza“ genannten runden oder ovalen, tief
geduckten Häuser, kannte man schon vor 2000 Jahren bei den hier lebenden
Kelten. Dicke, abgerundete Schiefermauern bieten den Stürmen wenig
Angriffsfläche. Die Palloza besaß keine Fenster, sondern nur ein niedriges
Schlupfloch für ihre Bewohner und ein zweites etwas größeres für das Vieh. Im
Giebel des Strohdaches befand sich eine Öffnung als Rauchabzug. Weitere
Eigenheiten dieses Landstriches, die uns nun begleiten, sind die schlanken
Steinkreuze, die „Cruceiros“, die sich an den Wegkreuzungen erheben und auf
einer Seite von Kreuzigungsszenen und auf der anderen Seite von
Mariendarstellungen gekrönt sind. Andere eigenartige Häuschen auf Steinkonsolen
in der Nähe von Gehöften fallen uns auf, hierbei handelt es sich um auf Stelzen
stehende dekorative Getreidespeicher aus Holz oder Steinen mit rechteckigem Grundriss,
die den Mais vor Nagern und Bodenfeuchtigkeit schützen sollen.
Seltsam sind auch die flachen
Steinplatten an den Feldern, die senkrecht um Ackerparzellen errichtet wurden.
Diese eigenartige Abgrenzung war die Folge von Landaufteilung unter Erben. So entstand
eine Landwirtschaft der extremen Aufsplitterung des Eigentums, die bis heute
für die zum Teil bittere Armut in der Region verantwortlich ist.
Der Abstieg, für Heidi durchaus
angenehm, macht mir wieder mächtig zu schaffen. Die Knie sind meine
Schwachstelle, ich könnte vor Schmerzen den ganzen Berg zusammenbrüllen.
Plötzlich zieht Nebel durchs Tal, die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, das unsere
Haare klatschnass werden. Triacastela erreichen wir gegen 16:00
Uhr und suchen eine privat empfohlene Herberge auf. Nach einer wohltuenden
Dusche ist die Welt für mich wieder halbwegs in Ordnung. Gleich neben der
Herberge befindet sich eine großzügig ausgebaute Bar, in der wir Rudi wieder
treffen. Er begrüßt uns lautstark mit: „Na das
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