Paxson, Diana L.
glauben, denn sonst wäre mein Kummer unerträglich. Dein Schwert habe ich bereits mit meinem Zauber bedacht. Mein Name wird dort, wohin du gehst, von keiner Hilfe sein, doch vielleicht kann ich noch etwas anderes für dich tun. Streck deine Hand aus…«
Ich hörte einen schwachen Laut aus dem Haus, dann Mairenns Lachen.
»Zuckt ein Krieger vor einem so kleinen Schlag zurück? Schau, ich nehme nicht viel Blut – nur soviel, um dich mit diesem Püppchen zu verbinden.«
»Was ist das?« Die Stimme des Morholts zitterte leicht, und nun wünschte ich mir zum erstenmal, ich könne ins Innere sehen.
»Hast du Angst? Es ist nur eine Figur, aus Eichenholz geschnitzt, mit einem Kopf aus Kristall. Der Kristall ist jetzt klar – und wenn er klar bleibt, weiß ich, daß es dir gut geht. Doch wenn er sich trübt, erkenne ich, daß Gefahr für dich besteht. Dann werde ich mich meiner Kräfte bedienen, um dich nach Hause zu holen.« Wieder lachte sie, sanfter diesmal.
»Mairenn, du hast mich bemuttert, als du selbst kaum mehr als ein Kind warst, und wir zwei standen allein gegen diese Frau, die unser Vater in sein Bett nahm. Ich werde jetzt nicht anfangen, an dir zu zweifeln. Nur achte gut auf dieses Ding!«
»Mein Junge, mein Junge – du bist mir teurer als die Kinder meines Schoßes, und nicht einmal der Tod wird uns trennen!« Aus ihrer Stimme sprach eine Leidenschaftlichkeit, die mir fremd war, und ich hielt mir die Ohren zu, als hörte ich ungewollt die Beichte einer Frau. Schweigen setzte ein, als umarmten die beiden sich, dann knarrte die Tür, als er sich ans Gehen machte.
Esseiltes Atem kitzelte an meinem Ohr. »Bleib hier«, flüsterte sie. »Er darf nicht ahnen, daß wir mithörten.« Dann huschte sie um das Kräuterhaus. Als der Morholt schließlich heraustrat, kam sie den Pfad vom Berg herab auf ihn zu.
Ich plagte mich auf die Füße. Esseilte schlang die Arme um des Morholts Hals, und er murmelte beruhigende Worte. Er würde ihr eine Brosche aus sächsischem Silber bringen und einen goldenen Kelch; er würde ihr ein Dutzend britische Maiden als Mägde bringen; er würde ihr, wenn sie sich das ersehnte, die Welt in einem Seidentuch bringen. Ich hatte belauscht, was er zu seiner Schwester sagte, und Angst hatte mich beschlichen, doch nun war nur Kummer in mir, als ich hörte, was er jetzt sagte.
Meine Mutter war eine britische Maid gewesen! Ich empfand einen Schmerz, den ich sonst unterdrückte. Esseilte besitzt bereits eine Silberbrosche und eine britische Leibmagd. Aber was wirst du mir von Kernow mitbringen, o mein Vater? Was wirst du mir bringen?
Der Tribut von Kernow
Der Morholt stach von Inber Colphta, wo die Boinne ins Meer mündet, mit der Morgenflut in See. Man erzählte, daß sein Schiff voll von Kriegern war und daß ihm zwei andere Schiffe gefolgt waren – umgebaute Kauffahrer zur Beförderung weiterer Krieger –, Schiffe, deren Segel mit leuchtenden Farben bemalt waren. Man wisperte, daß sein Aufbruch eher an eine Expedition denken ließ denn an eine Verbannung, und man fragte sich, wohin er fuhr. Und Diarmaits Feinde schmiedeten Komplotte und trafen geheime Abmachungen, während Curnan von Connachta seinen Groll wie seinen gebrochenen Arm hegte.
Mit grimmigem Gesicht und wortkarg saß der König dem Rest des Großen Festes vor. Das Gewitter, das sich während des Rennens angekündigt hatte, tobte sich in der folgenden Nacht aus und dämpfte jedermanns Begeisterung für den Aufenthalt im Freien. Nach dem Drama beim und nach dem Rennen wäre ohnehin alles andere von geringem Interesse gewesen, und so brachen die Besucher in ihrem Eifer, den Zuhausegebliebenen alles möglichst rasch zu erzählen, schon früh auf.
Wie in tiefer Trauer verließ die Königin eine Woche lang die Burg nicht. Esseilte blieb bei ihr, so war es mir überlassen, die Prinzessinnen zu verabschieden. Die Leute nahmen offenbar an, sie könnten mehr von mir erfahren als von den Hofdamen der Königin, deshalb bedrängten sie mich mit Fragen. Ich bemühte mich sie zu beantworten, ohne wirklich etwas preiszugeben – eine Geschicklichkeit, die ich in späteren Jahren zur Vollkommenheit entwickelte. Doch eines Morgens kam die Königin aus ihrer Kemenate; ihr Kopfputz saß makellos wie immer, und ihr Gesicht war so unlesbar wie das einer Heiligen in einem der frommen Bücher, welche die Mönche machten.
»Was ist geschehen?« fragte ich Esseilte bei der ersten Gelegenheit, die sich bot.
Sie kicherte und zog mich zum
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