Paxson, Diana L.
genug war, sie wertzuschätzen, doch das war ohne Zweifel nicht die Antwort, die Königin Mairenn erwartete. Ich blickte Esseilte hilflos an.
»Ich glaube, man kann die Wurzel benutzen, um die Muskeln zu entspannen und die Nerven zu beruhigen«, sagte sie schließlich »Gibt die alte Messach sie nicht in den Tee für uns, wenn wir Krämpfe haben?«
Sie wirkte erleichtert, als die Königin lächelte. Da wurde mir plötzlich bewußt, daß auch Esseilte in mancher Hinsicht die Liebe ihrer Mutter entbehrt hatte. »Du bist mir teurer als die Kinder meines Schoßes«, hatte sie zu dem Morholt gesagt. Doch ihre Pflichten als Königin hatten verhindert, daß sie sich ihrem letztgeborenen Kind viel hätte widmen können.
»Und was ist mit den Weiden unten an dem Bach?« fragte Mairenn nunmehr. »Wozu sind sie gut?«
»Ein Tee aus ihrer Rinde lindert Schmerzen und hilft bei steifen Gelenken«, begann ich.
»Man kann damit auch Wunden säubern und eine reine Haut bekommen.« Das hatten wir uns gestern eingeprägt.
»Nennt eine weitere Pflanze, von der man irgendeinen Teil benutzen kann, um Schmerzen zu lindern«, forderte Mairenn uns auf.
Angespanntes Schweigen setzte ein, da erinnerte ich mich plötzlich an den ganz bestimmten Geruch einer Krankenstube. Ich räusperte mich. »Birkenöl?« fragte ich.
Die Königin nickte und lächelte, was selten vorkam. »Öl, das aus den Zweigen der Birke oder ihrer Rinde gequetscht wird, kann sich bei steifen Gelenken sehr nützlich erweisen, und Tee aus Birkenblättern bringt heilenden Schlaf ohne Träume.«
»Wir haben wohl kein Birkenöl bei uns?« erkundigte sich eine der Damen der Königin, die amüsiert diesem Unterricht gefolgt war. »Meine alten Knochen ächzen bei jedem Schritt des Pferdes. Was wird mein Herz jubeln, wenn wir den heiligen Born erreicht haben!«
Kräuterkunde und heilige Borne! Die Königin hätte genausogut eine Nonne sein können, soviel hatte das Ganze mit Zauberei zu tun. Es fiel mir bereits schwer, mir vorzustellen, worüber Esseilte und ich uns Sorgen gemacht hatten. Natürlich war da das Püppchen, das Esseilte gesehen hatte, wie sie sagte, doch unter einem Himmel von so blassem Blau wie die Flügel eines Eisvogels und einer Sonne, welche den Ton des reifen Grases zu bräunlichem Gold vertiefte und selbst im winterlichen Wald Farbe zauberte, konnte ich nicht glauben, daß es so etwas wie Böses auf der Welt überhaupt gab.
Am dritten Tag unseres Rittes erreichten wir Tobar Brigid, den heiligen Born.
Rath Mullingar kuschelte sich an die windgeschützte Seite dahinter. Dünn kräuselte Rauch aus den Häusern in die stille Luft. Zwischen Rath und Quell wuchsen Haselsträucher im Halbkreis um eine Wiese mit einem kleinen, kreisrunden Bethaus an der Nordseite. Ein klarer Bach schlängelte sich dahin und verlor sich im Gras, doch den Born konnte ich nicht sehen.
»Dort ist er…« Esseilte machte eine Handbewegung. Blinzelnd folgte ich ihrem ausgestreckten Arm. »An der Südseite der Wiese. Das Bornhaus ist mit Gras und Steinen bedeckt.« Sie lächelte mit der Sicherheit einer, die Erfahrung mit Pilgerfahrten zu heiligen Quellen hatte, dabei war sie erst ein einziges Mal zu der südlich von Temair gelegenen Quelle gebracht worden, als sie an einem Ausschlag gelitten hatte. Doch nun, da sie mich darauf aufmerksam gemacht hatte, sah auch ich den grünen Buckel, der mich an einen Elbenhügel erinnerte. Ich glaube, ich hatte etwas Eindrucksvolleres erwartet. Eine zierliche Frau in verwaschenem roten Gewand eilte, noch mit einem Besen in der Hand, aus dem Bethaus, als sie den Hufschlag unserer Pferde hörte.
»Meine Königin! Gottes und der heiligen Brigid Segen über Euch! Einen solchen Besuch erwartete ich außerhalb der Festzeit nicht, doch seit von Herzen willkommen mit Euren Damen und die Prinzessin mit dem goldenen Haar ebenfalls!« Die Worte der Frau sprudelten wie ein Wasserfall, und als wir unsere Pferde zügelten, bemerkte ich, daß viel Zeit vergangen sein mußte, seit ein Kamm durch ihr Haar gestrichen hatte, so tatkräftig sie auch ihren Besen schwang. Vielleicht war die Vernachlässigung ihres Haares eine Art Buße? Unwillkürlich schüttelte ich mich und strich mein eigenes aus der Stirn.
»Habt Dank für das Willkommen«, antwortete die Königin. »Meinen Gruß der Bornhüterin. Meine Tochter und ich sind gekommen, der Herrin zu huldigen. Wir werden morgen, wenn die Sonne über den Bergen aufgeht, für das Ritual wiederkehren. Bereitet bis
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