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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Zauber von Erin
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des Morholts Kopf verdammt, diesen Versuch zu heilen jedoch gesegnet, aber mir deuchte in diesem Augenblick, daß beides gleichermaßen den Himmel herausforderte.
    Und es war mein eigenes Wort, das zu dieser zweiten Sünde geführt hatte. Was würde Mairenn dafür von mir verlangen? Was Gott?
    Mairenn hörte zu rühren auf und hielt die Hand über die Schale.
    »Im Namen Slaines, Sohn des Partholon, und im Namen Diancechts, des Arztes, und im Namen Miachs, aus dessen Fleisch die dreihundertundfünfundsechzig Heilkräuter wuchsen, gebiete ich.«
    Sie reichte die Schale Esseilte. »Verteile das auf seine Wunde…«
    »Was wird ihn am Leben halten, bis dieses Mittel wirkt?« flüsterte ich ihr zu, während sie es auftrug. Außer unmittelbar um die Wunde herum war die Haut des Mannes kalt, und immer wieder quälte ihn Schüttelfrost.
    Die Königin ersuchte Messach, einen Kelch mit Wein zu füllen. Sie gab Mistelpulver hinein und verrührte es mit noch einem Zauber. Als die Wunde frisch verbunden war, hob Mairenn den Oberkörper des Harfners und setzte den Kelchrand an seine schlaffen Lippen. Dunkle Flüssigkeit sickerte aus seinen Mundwinkeln, dann reagierte der Körper von selbst und die Kehle bewegte sich, als der Trank hinunterrann.
    Schweigend warteten wir, während es heller wurde, und beobachteten das schmerzgezeichnete Gesicht des Harfners, wie Krieger einer belagerten Festung die Ebene ringsum beobachteten, sich jede Einzelheit einprägen und sich fragen, ob Freund oder Feind als erster durchkommen würde. Linien der Kraft und Schwäche prägten dieses Gesicht, Linien von Humor und Leid. Und trotz der Entstellungen der Krankheit verriet ein feiner Knochenbau den inneren Adel des Mannes. Einer wie er durfte nicht sterben, ehe er sich einen Namen auf der Welt geschaffen hatte.
    Esseilte hielt seine Hand in ihrer so fest, daß sich die Knöcheln ihrer Finger weiß unter der Haut abzeichneten, als könne sie so ihre eigene, obgleich geringe Kraft auf ihn übertragen. Ich legte meinen Arm stützend um sie.
    Und da, als die Glocken zur Morgenmesse läuteten, seufzte Dughan auf.
    »Seine Hände sind warm!« rief Esseilte. Ich lauschte – er atmete jetzt offenbar leichter, und sein Gesicht wirkte entspannt.
    »Er schläft«, sagte die Königin. »Die Krise ist überstanden.« Sie beugte sich über ihn und wisperte zunächst in sein linkes, dann sein rechtes Ohr. Schließlich legte sie beide Hände auf seine bleiche Stirn.
    Die Heilung des Morgens sei mit dir, die Heilung des Mittags
und die Heilung des Abends;
Die Heilung der grünen Täler, die Heilung der Höhen des
Himmels und die Heilung der Weiten des Meeres;
Die Heilung der hohlen Hügel, die Heilung der himmlischen
Engel, die Heilung der Wohnstatt des Friedens sei mit dir,
Menschenkind; mögen sie nun mit dir sein…
    Mit einem Seufzer lehnte sich die Königin zurück. Sie war nie schön gewesen, jedenfalls nicht, solange ich mich erinnern konnte, und nun sah sie alt aus. Was immer an Kraft in ihren Kräutern steckte, ihr war sie heute ebenfalls entzogen. Sie taumelte, als sie sich erhob, und ich legte rasch die Hand unter ihren Ellenbogen, um sie zu stützen. Einen Herzschlag lang duldete sie es, doch dann entzog sie ihn mit bitterem Lächeln.
    »Er braucht jetzt seinen Schlaf, um die Heilung zu vollenden, und auch wir müssen uns ausruhen. Noch nie fühlte ich mich so erschöpft wie jetzt, als fände die Schlacht in mir statt. Es ist gefährlich, dieserart gegen den Tod vorzugehen, und wer weiß, für welches Schicksal wir ihn retteten? Ich hoffe, keine von uns muß dereinst bereuen, was wir heute taten!«
    Ihre Worte klangen düster, doch draußen schien die Sonne. Ihr goldenes Licht verlieh dem bleichen Gesicht auf dem Kissen einen Anschein von Farbe und glühte in Esseiltes blondem Haar. Die Königin verließ die Kammer wie ein Schatten, doch es war Messach, welche die Tür für sie öffnete. Ich stand am Herd und legte weiteren Torf auf das Feuer.
    ***
    Wo kommst du her, Barde Merlin,
in solch zerlumptem Gewand?
Und wo gehst du hin, barhäuptig,
wie einer im fremden Land?
O sag mir, wohin gehst du, barfuß,
mit eichenem Stecken?
Ich suche meine Harfe,
das Lachen der Menschen zu wecken…
    Die Stimme des Harfners war noch schwach, doch klar, und der Klang der Harfensaiten begleitete süß sein Lied. Die eine Woche hatte wahre Wunder für den Mann bewirkt, dachte ich, während ich durch das nasse Gras zum Gästehaus schritt – und für das Wetter ebenfalls.

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