Peacemaker
vielversprechende Karriere gewesen war. Oder schlimmer noch, er würde womöglich geköpft und seines Portemonnaies, seiner Uhr und seiner Zähne wegen der Goldfüllungen beraubt werden – ein weiterer glückloser Wohltäter, der tot in einem namenlosen Graben endete.
Doch Gideon bekam nie die Gelegenheit, Tillman irgendetwas davon zu erzählen, da die Kluft zwischen ihnen, die durch ihre politischen Differenzen entstanden war, immer größer wurde. Differenzen, die, wie Gideon inzwischen erkannt hatte, nicht annähernd so wichtig waren wie die Tatsache, dass sie Brüder waren. Tillman hatte in seinem Leben viele Opfer gebracht, hatte bewusst einen Weg eingeschlagen, der beschwerlich, gefährlich und häufig unbefriedigend war. Die Lektion, die Tillman aus ihrer harten Kindheit gelernt hatte, war die, dass man sich Situationen stellen musste, dass man kämpfen musste, dass man sich durchsetzen musste. Und da kein Zweifel daran bestand, dass Gideon von dem Schutz seines Bruders profitiert hatte, hätte er etwas Nachsicht mit ihm walten lassen müssen.
Doch das hatte er nicht getan. Und damit war die Sache erledigt gewesen.
Jetzt war es an der Zeit, Frieden zu schließen.
Das Erste, was Gideon sah, war der Rauch. Er taumelte mit letzter Kraft eine kleine Anhöhe hinauf, und dann sah er sie, eingebettet in dem Tal unter ihm: eine Ortschaft. Ihre Häuser brannten, und eine riesige schwarze Rauchsäule stieg hoch in die Luft empor. Um welche Ortschaft es sich auch immer handeln mochte, sie unterschied sich von denen, durch die er zuvor gekommen war.
Es gab Gebäude aus Betonstein mit Wellblechdächern, und etwas, das einer Straße nahekam, verlief mitten durch die Ortschaft. Wie in den anderen Ortschaften zuvor waren jedoch auch hier weit und breit keine Menschen zu sehen. Zumindest keine lebenden. Hier und da lagen Körper in den Straßen und Gassen, und ein paar weitere waren auf dem Mohnblumenfeld verstreut, das den Berghang auf der anderen Seite der Ortschaft hinaufkroch.
Doch abgesehen von dem Rauch bewegte sich nichts. Einige der Gebäude brannten nicht nur, sondern waren dem Erdboden gleichgemacht worden.
Gideon stolperte den Pfad entlang, bis er die brennende Ortschaft erreichte. Der Pfad schlängelte sich durch ein wogendes purpurrotes Meer von Mohnblumen.
Am Rand der Ortschaft sah er etwas auf dem Boden funkeln. Ein umgefallenes Metallschild lag im Dreck. Allem Anschein nach war es von einem Fahrzeug umgefahren worden. Er ging langsam auf das Schild zu und betrachtete es. Zwei Worte waren darauf zu lesen:
»Kampung Naga«.
Ich bin da, Tillman, dachte er. Ich bin da.
Dann gaben seine Beine nach, und er brach zusammen und schloss die Augen.
ACHTZEHNTES KAPITEL
Captain Avery Taylor ließ sein Team mit dem Rücken zum Pazifik auf dem Bootsdock des Sultans antreten. Der Sultan hatte ihnen sein persönliches Schnellboot zur Verfügung gestellt. Es lag hinter ihnen im Wasser und schaukelte in den Wellen so heftig auf und ab, dass es die Gangway aus ihrer Verankerung zu reißen drohte.
Da Mohan für kurze Zeit zum Britischen Weltreich gehört hatte, verwendete das Militär noch immer britische Waffen. Taylors Männer waren deshalb gezwungen gewesen, in einem Waffengeschäft am Stadtrand von Kota Mohan .223-Munition für ihre M4-Karabiner zu kaufen. Sie verfügten über einige Handgranaten, einen britischen Raketenwerfer aus den 1960er-Jahren und drei Raketen, die sie bei den mohanesischen Streitkräften aufgetrieben hatten, über Tauchausrüstung, die in einer Tauchschule am Strand beschlagnahmt worden war, und über ein paar verschwommene Pläne der Obelisk, welche die Trojan-Energy-Hauptniederlassung in Houston gefaxt hatte. Keiner der Männer sprach es aus, doch sie wussten alle, dass sie sich unzureichend bewaffnet und dürftig ausgerüstet auf eine schlecht durchdachte Mission begaben, die zu schnell und ohne ausreichende Informationen geplant worden war.
»Unsere Mission ist Ihnen allen bekannt«, sagte Captain Taylor. »Wir werden die Einsatzbesprechung auf dem Boot durchführen. Ich möchte nur sagen, dass ich verdammt stolz auf euch bin. Ihr seid die besten Soldaten, die ich jemals kommandieren durfte. Deshalb habe ich keinen Zweifel daran, dass wir erfolgreich sein werden.«
»Hurra!«, riefen die Soldaten.
Captain Taylor wandte sich an Chief Petty Officer Ricardo Green: »Chief? Haben Sie noch irgendwelche goldenen Worte?«
Die Männer machten sich mit ihrer schweren Ausrüstung auf den Weg
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