Peacemaker

gründeten die Tampuan eine Widerstandsbewegung. Nachdem Pol Pot und seine Kumpane vertrieben worden waren, kämpfte die Tampuan-Befreiungsfront gegen die Zentralregierung, in der die Khmer aus Phnom Penh das Sagen hatten. Nach Definition der Vereinten Nationen handelte es sich dabei um einen »untergeordneten« Konflikt – Bürokratenbegriff für einen Krieg, in dem die Menschen, die getötet wurden, keine Fernsehsender oder Zeitungen besaßen.
    Letzten Endes erlitten sowohl die Tampuan als auch die kambodschanische Regierung genug Verluste und wirtschaftlichen Schaden, um zum selben Ergebnis zu kommen: Eine Fortsetzung ihres kleinen Kriegs lohnte sich nicht. Einen Bürgerkrieg zu beenden, ist selbst unter den besten Umständen eine schwierige Angelegenheit, doch die persönlichen Interessen dieser Kriegsparteien hatten zu einem gordischen Knoten geführt, den die meisten Mitarbeiter des Außenministeriums für unlösbar hielten. Dass keiner der Vertreter beider Seiten die Befugnis besaß, irgendwelche wichtigen Entscheidungen zu treffen, machte die Sache noch komplizierter.
    Gideon fand schell heraus, dass Geduld die größte Tugend eines Diplomaten ist. Er hörte abwechselnd zu und redete, dann hörte er wieder zu, stundenlang, bis aus den Stunden Tage wurden und die Unterhändler wieder zu ihren Vorgesetzten zurückkehrten, damit diese ihre jeweiligen Forderungen neu formulierten. Während dieser Pausen spielte Gideon manchmal Fußball mit den Kindern aus der Ortschaft, in der die Verhandlungen stattfanden.
    Ein entscheidender Faktor bei den Verhandlungen war, dass Pol Pot die Tampuan bekämpft hatte, indem er jede Straße, jeden Weg und jeden Trampelpfad in ihrem Gebiet hatte verminen lassen. Deshalb gab es in Kambodscha mehr Tretminen pro Quadratkilometer als an irgendeinem anderen Ort auf der Welt. Zwanzig Jahre nach Pol Pots Tod wurden noch immer fast täglich Tampuan in die Luft gesprengt. Und bei den meisten Opfern handelte es sich um Kinder.
    Kinder laufen Bällen in den Dschungel hinterher. Sie verlassen ausgetretene Pfade. Ihnen fehlt die Vorsicht der Erwachsenen. Die Kinder der Tampuan zahlten dafür einen hohen Preis, verloren manchmal Gliedmaßen oder ihr Augenlicht, am häufigsten aber ihr Leben.
    Ein Bestandteil des sich abzeichnenden Übereinkommens, das Gideon aushandelte, war, dass er die Völkergemeinschaft überzeugte, zur Entschärfung der Minen Teams von Bombenspezialisten zu schicken. Daraufhin kamen Spezialisten des Entschärfungskommandos der finnischen Polizei, pensionierte Waffenexperten der britischen Armee und sogar Veteranen vieler staatlicher Sicherheitstruppen des ehemaligen Ostblocks, die damals bereits in Auflösung begriffen waren.
    Bald traf ein Bombenentschärfungsspezialist namens Horst in der Ortschaft ein. Er war ein ehemaliger SpetsNaz-Sergeant und erwies sich als hervorragender Bombenexperte, benötigte jedoch regelmäßige medizinische Dosen Wodka, um seine Nerven zu beruhigen. Sein übermäßiger Alkoholkonsum brachte seine Hände manchmal zum Zittern, als leide er unter der Parkinson-Krankheit – was in der Bombenentschärfungsbranche ein gewisses Handicap war.
    Eines Tages, während Gideon auf eine Rückmeldung aus Phnom Penh wegen irgendeiner Kleinigkeit im Protokoll wartete, kam ein Junge unkontrolliert schluchzend in die Ortschaft gelaufen. Einige der Kinder, mit denen Gideon gelegentlich Fußball spielte, waren ihrem Ball in den Dschungel nachgelaufen. Unter normalen Umständen hätten sie das nicht getan, doch es handelte sich um einen nagelneuen Ball, den Gideon ihnen geschenkt hatte.
    Bei der Suche nach dem Ball war die jüngere Schwester des Jungen auf eine Mine getreten. Wie Gideon mittlerweile wusste, explodierten manche Schützenminen nicht in dem Augenblick, in dem man auf sie trat, sondern erst dann, wenn man den Fuß wieder hob. Solche Minen werden als »Bouncing Bettys« bezeichnet und sind darauf ausgelegt, in die Luft zu springen und auf Kopfhöhe zu detonieren, um mehr Menschen zu töten.
    Das kleine Mädchen hatte das Klicken des Auslösers gehört und wusste, dass die Springmine ihr den Kopf wegreißen würde, wenn sie sich bewegte. Und jetzt berichtete ihr Bruder zwischen atemlosen Schluchzern, was geschehen war. Seine Schwester war todgeweiht, es sei denn, jemand wäre in der Lage, die Mine zu entschärfen, während sie darauf stand. Gideon ging los, um Horst zu holen, doch das Gesicht des Bombenexperten wurde kreidebleich, und seine Hände