Pearl Harbor
anfliegenden Flugzeuge ihren Kurs sehr gut bestimmen. Gouverneur Poindexter hatte gerade seine kurze Ansprache beendet, als zwei Militärpolizisten in den Senderaum eindrangen und den alten Mann höflich, aber bestimmt aufforderten, sich zu entfernen.
Er erschrak. Die Polizisten beruhigten ihn, es handele sich nur um eine Sicherheitsmaßnahme. Sie brachten Poindexter zu seinem Wagen, der ihn schnell zu seiner Wohnung zurückfuhr. Die Militärbehörden hatten das Kommando auf der Insel.
Auf einer Ausflugsfahrt befand sich dieser Armeebus, als Tiefflieger ihn angriffen. Die Insassen wurden getötet oder verletzt
Am Rande der Zuckerrohrfelder wurde von einer Armeepatrouille ein halbes Dutzend japanischer Arbeiter erschossen, die gerade mit geschulterten Schneidemessern aus den Feldern kamen. Sie wußten noch nichts von einem Angriff, hatten nur die Explosionen gehört und wollten nachsehen, was eigentlich vorging. Die Patrouille schoß, ohne zu fragen. Erst später stellte sich heraus, daß es sich um in Hawaii ansässige Japaner gehandelt hatte.
Eine japanische Familie, die sich während der Bombardierung in ein Wäldchen geflüchtet hatte, trat wieder auf die Straße, als es ruhiger geworden war. Da kam von einem Depot bei den Schofield-Kasernen ein Lastwagen mit Infanteristen. Die Soldaten sahen im Vorbeifahren die Gesichter der Japaner und ließen den Wagen anhalten. Mit entsicherten Gewehren stellten sie die Familie am Straßenrand auf. Man hielt sie für Saboteure, die von einem Flugzeug abgesprungen wären. Es nutzte auch dem Familienoberhaupt, dem Besitzer einer Wäscherei, nichts, daß er versicherte, er lebe seit dreißig Jahren auf Oahu und habe keine Ahnung, wer wen angegriffen habe. Der Sergeant, der das Kommando anführte, hatte bereits entschieden, daß die Leute standrechtlich erschossen würden, und zwar sofort, als ein Offizier in einem Jeep auftauchte und anordnete, die Leute wären zuerst nach Fort Shafter zu bringen, wo Untersuchungen eingeleitet würden. Das rettete der Familie das Leben.
Es war in dieser Atmosphäre der Unsicherheit und Panik, als im Stabe des Admirals Kimmel die Warnung von Generalstabschef Marshall aus Washington eintraf. Sie hatte eine lange Reise hinter sich, und bis vor wenigen Minuten war es noch absolut unsicher gewesen, ob sie Kimmel jemals erreichte.
Tadao Fuchikami, Telegrammzusteller des Telegrafenamtes, war ein Sohn japanischer Eltern, die ebenfalls schon auf Oahu geboren worden waren. Er fühlte sich nicht mehr als Japaner, und für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, im Falle eines Ausnahmezustandes auf der Seite der Leute zu stehen, in deren Land er lebte. An diesem Morgen erschien er um sieben Uhr dreißig zum Dienst. Er trieb sich eine Weile im Gebäude herum,' begrüßte einige Telefonistinnen und las eine Sportzeitung, bevor er sich daranmachte, seine Mappe mit den nachts eingelaufenen Telegrammen zu füllen. Fuchikami war in Khaki gekleidet. Er trug eine Schirmmütze mit goldener Borte. Auf seinem Motorrad sah er beinahe wie ein Offizier aus. Ein Offizier mit Schlitzaugen.
Fuchikami befuhr an diesem Vormittag den Distrikt Kalihi, in dem auch Fort Shafter lag. Bevor er aufbrach, ordnete er die Telegramme und legte sich eine Route zurecht.
Er fuhr ab, bevor er genau erfahren konnte, was
die Schießerei und das Grollen der Explosionen im Hafen zu bedeuten hatten. Zunächst lieferte er einige Privattelegramme ab, dann war ein brauner Umschlag an der Reihe, der keinen Dringlichkeitsvermerk oder irgendeine andere Beschriftung trug, lediglich die Adresse »Kommandierender General«. Während er seine Telegramme ablieferte, wurde ihm aus Gesprächen mit den Empfängern klar, daß Japan einen Fliegerangriff auf Pearl Harbor führte. Aber Fuchikami ließ sich davon nicht
- beeindrucken. Ihm war eine Arbeit aufgetragen worden, und die würde er erledigen, ganz gleich, ob es einen Angriff gab oder nicht. Er erhöhte das Tempo etwas, mit dem er durch die Straßen flitzte. Aber heute gab es keine Polizisten, die ihn anhielten. Kurz vor Fort Shafter endete seine Fahrt plötzlich. Eine Kette Militärpolizisten hielt ihn auf.
Man überzeugte sich schnell, daß er ein ordentlicher Briefträger war, und ließ ihn passieren. Aber der Sergeant der Militärpolizei hob warnend den Zeigefinger und sagte:
»Laß dich lieber nicht so viel auf der Straße blicken, Junge. Du siehst in deiner Postuniform aus wie ein Japs, der mit dem Fallschirm abgesprungen
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