Pech und Schwefel (German Edition)
Stadtwache?
Die Frage lautete jetzt nur, wie konnte er Endis um Hilfe bitte, wenn er doch vor knapp zwei Jahren einfach spurlos verschwunden war. Endis schuldete ihm keinen Gefallen.
Plötzlich hatte er eine weitere Idee! Immer wieder sah er den mürrisch dreinblickenden Charan vor sich, der am Tisch saß und einen Weinbecher nach dem anderen getrunken hatte. Etwas hatte ihn sehr deutlich von seinen Kumpanen unterschieden. Charan hatte eine Uniform der Stadtwachen getragen. Wenn es ihm gelang mit einer der Stadtwachen zu reden, er vielleicht sogar Kommandant Malor sprechen konnte, nur für wenige Minuten, vielleicht könnte er ihm weiterhelfen.
»Ich muss es riskieren«, spornte Nomarac sich an. »Ich werde jetzt zu ihrem Stützpunkt gehen und schauen, dass ich etwas über Charan herausfinde.«
Damit stand sein nächstes Ziel fest. Er kletterte hinaus auf die Straße und begann den Weg zum Tempel zurückzulaufen. Doch vorher schaute er bei Denril vorbei, dem er erzählte, dass es seinem Bruder gar nicht gut ging und er ganz dringend klerikale Hilfe benötigte. Er wollte zu den Priestern. Nomarac hätte ihm auch die Wahrheit sagen können, aber er wollte seine Unfähigkeit, nicht auf seinen Bruder aufpassen zu können, nicht vor dem Hufschmied offenbaren. Aus diesem Grund hatte er sich für diese Lüge entschieden. Und Denril ließ sich überzeugen. Er steckte sogar Nomarac einen minderwertvollen Edelstein zu und schickte ihn mit den Worten, dass er heute auch ohne ihn auskäme, fort. Der Hufschmied wirkte sogar besorgt, als er dem älteren Zwilling hinterher sah.
Nomarac hatte fast schon ein schlechtes Gewissen, doch die Sorge um seinen verschwundenen Bruder war größer. Deshalb verlor er keine wertvolle Zeit mehr und rannte los. Über eine Seitengasse wollte er eine Abkürzung nehmen und plötzlich prallte er gegen etwas Hartes. Erschrocken taumelte er rückwärts und es gelang ihm gerade noch rechtzeitig sein Gleichgewicht zu bewahren, bevor er hingefallen wäre.
»Bei Zevenaars Blut!«, rief eine wütende Stimme, der ein Husten folgte.
Neugierig und verwirrt schielte er aus den Augenwinkeln auf die Person. Doch im ersten Moment sah er nur einen angebissenen Apfel durch die Luft fliegen und einige Meter weiter auf der Straße landen. Sein staunender Blick wanderte wieder zurück. Vor ihm stand ein hochgewachsener und gut aussehender Raukarii. Räuspernd hob der Mann das Kinn und hustete nochmals. Er hatte sich bei ihrem ungewollten Zusammenprall am Apfel verschluckt. Nomarac murmelte eine unverständliche Entschuldigung, denn er war viel zu beschäftigt diesen Raukarii zu mustern.
Lange rote Haare fielen dem Mann über die Schultern. Sein athletischer Körper steckte in einer schwarzen Lederrüstung. Um die Hüfte trug er einen gut gepflegten Waffengürtel. An der linken Seite prangte ein Langschwert aus schwarzem Stahl. Ein roter Rubin am Knauf glänzte im Licht der Sonne und warf ein seltsames Leuchten auf die braunen Gesichtszüge des Unbekannten. Doch das alles verblasste, als er in die goldenen Augen des Raukarii sah.
»Kannst du nicht aufpassen?« Der Raukarii fixierte ihn mit durchdringendem Blick. »Wegen dir hätte ich mich beinahe an meinem Apfel verschluckt.«
»Ähm … ähm … ’tschuldigung«, murmelte Nomarac und schluckte merklich.
Diese Augen waren das Ungewöhnlichste, was er bisher in seinem Leben gesehen hatte. Sie versprühten auf ihre Weise Stärke, Macht und Entschlossenheit. Für einen Moment glaubte Nomarac, er würde einem Hohepriester gegenüberstehen. Er wirkte so stolz und gleichzeitig so autoritär. Unwillkürlich erinnerte der Mann ihn an seinen toten Vater.
»Sag nur, du bist auch ein Dieb, der einem unschuldigen Bürger Leven’raukas ausrauben will?« Obwohl seine Stimme ein angenehmes Timbre besaß, waren die Worte keinesfalls höflich. Er griff an seinen Gürtel, wo normalerweise seine Geldbörse hing. Diese war jedoch verschwunden. »Rück mein Geld raus! Ich lasse mich nicht von Taschendieben auf der Straße bestehlen.«
Mit diesen Worten war die Faszination gebrochen. Nomarac ballte die Hände zu Fäusten. »Ich habe Sie nicht bestohlen. Wenn Sie nicht auf Ihre Edelsteine achten können, sollten Sie es besser lernen. Lassen sie mich in Ruhe!«
Zornig schubste er den Mann zur Seite und rannte einfach los. Eben war er noch voller Tatendrang unterwegs gewesen, nun hatten ihn seine Gewissensbisse, seine Ängste und die Erschöpfung eingeholt. Er bog in die erste
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