Pech und Schwefel (German Edition)
sie als Feen bezeichnen. Doch das ist falsch. Die Feen sind die verstorbenen Seelen der Iyana, die jeden Eindringling im Brin-Krian Gebirge …«
»… vom rechten Weg abbringen … ob Raukarii oder Mensch … der versucht mit bösen Absichten das Gebirge zu überqueren. Die Feen beschützen den großen Wald von Ianara und alles, was dort lebt.«
»Du kennst die alte Legende«, stellte Venarez lächelnd fest. »Verzeih mir, aber du bist noch sehr jung, auch wenn du aussiehst wie ein junger Mann. Das alte Wissen ist heute kaum noch jemanden bekannt. Es ist hauptsächlich den Priestern vorbehalten, die es während ihrer Zeit der Studien erlernen.«
»Mein Bruder könnte Ihnen noch mehr erzählen.« Nomarac seufzte. »Er liebt diese alten Geschichten. Er hat sie all die Jahre nie vergessen und mir manchmal eine erzählt. Das ist aber die Einzige, die ich mir gemerkt habe. Sagen wir so, er könnte Sie ihnen erzählen, wenn er nicht …« Er brach ab und schluckte merklich. Erneut spürte er die Tränen in den Augen brennen, doch er wischte sie resolut fort.
»Ich fürchte, dein Bruder steckt in großen Schwierigkeiten«, wechselte Venarez das Thema.
Nomarac nickte.
»Sieh da vorne. Dort werden wir jetzt einkehren. Dann erzählst du mir ganz in Ruhe, was passiert ist. Wer weiß, vielleicht kann ich dir helfen. Ich kenne hier in Mayonta so manchen Raukarii. Aber wo sind nur meine Manieren geblieben.« Er lächelte entschuldigend. »Ich wollte dir doch die Bedeutung deines Namens nennen. Nomarac heißt in der alten Sprache glaubensstarker Beschützer . Auch wenn ich dich nicht kenne, glaube ich, dass deine Eltern genau wussten, warum sie dich so getauft haben.«
Sprachlos riss Nomarac die Augen auf. Nun war er sich sicher, dass Zevenaar ihn erhört hatte. Venarez war die Hilfe, um die er den Feuergott angefleht hatte. Doch mit der Bedeutung seines Namens musste er sich irren. Er war weder glaubensstark noch hatte er es geschafft seinen Bruder zu beschützen. Zweimal hatte er bereits versagt.
»Wie lautet der Namen deines Bruders?«, riss ihn Venarez aus seinen Gedanken.
»Ronor«, antwortete er knapp.
»Es scheint, als hätten eure Eltern klug gewählt. Denn sein Name bedeutet listiger Drache . So wurde damals jemand genannt, der trotz aller Gefahren den Kopf nicht in den Sand steckt. Jemand, der immer weiterkämpft und niemals aufgibt.«
Nomarac seufzte. Hoffentlich behielt er mit dieser Bedeutung recht. Denn er wünschte sich nichts sehnlicher, als seinen Zwillingsbruder bald wieder gesund in die Arme schließen zu können.
Kapitel Elf
Pfiffige Magie
Nomarac war in Begleitung von Venarez ins nächste Wirtshaus eingekehrt. Am frühen Vormittag waren noch nicht viele Tische besetzt, sodass sie in Ruhe reden konnten. Venarez bestellte für sie frisches Brot, Butter und Honig und jeweils einen Becher heißen Kräutertee. Während sie aßen, erzählte Nomarac alles, was gestern geschehen war. Von seiner Verzweiflung bis hin zu seinem Gebet an Zevenaar.
»Ich möchte mich bei dir für dein Vertrauen bedanken«, sprach Venarez und sah zu, wie Nomarac den letzten Bissen herunterschluckte. »Wenn wir deinen Bruder gefunden haben, lade ich euch zu einem wahren Festessen ein.«
»Aber wie finden wir ihn? Und was, wenn er schwer verletzt ist … oder … oder tot.« Traurig ließ Nomarac die Schultern hängen.
»Sag mir ganz ehrlich, mein Junge … was fühlst du, wenn du an Ronor denkst?« Venarez‘ Stimme wirkte dabei sehr beruhigend. »Oder anders gesagt. Ronor und du, ihr beide seid eineiige Zwillinge. Ihr habt euer bisheriges Leben immer zusammen verbracht. Ihr beide denkt fast immer das Gleiche, ihr könnt den Satz des anderen beenden. Vielleicht braucht ihr euch auch nur anzusehen und wisst, was der andere denkt. Habe ich recht?«
Verblüfft nickte Nomarac.
»Gut. Dann sage mir, was fühlst du, wenn du an Ronor denkst?«
Nomarac seufzte und verspürte im ersten Moment ein schlechtes Gewissen gegenüber seinem Zwillingsbruder. Er saß hier, unterhielt sich mit einem Priester, während er irgendwo dort draußen war, hilflos, alleine. Doch wenn er weiter darüber nachdachte, dann war er sich ganz sicher, dass Ronor noch lebte. Er hatte ihn nicht verlassen, er konnte ihn immer noch in sich spüren, wie eine zweite Seele – wie sein zweites Ich.
»Ich … ich glaube …«, begann Nomarac leise, »… er lebt. Ich kann es nicht erklären, aber er lebt. Und er leidet. Er leidet schrecklich. Ich muss ihn
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