Pech und Schwefel (German Edition)
Marmorfassade glänzte im Mondlicht und nahm ihm ein wenig von seiner wachsenden Angst. Er hatte plötzlich das Gefühl, als würde das Gebäude ihn anziehen und er gab diesem Drang nach. Aufmerksam suchte er die nähere Umgebung nach patrouillierenden Wachsoldaten ab, doch er konnte nirgendwo welche entdeckten. Erleichtert rannte er zu dem goldenen Eingangsportal hinüber und staunte. Groß und fast zum Greifen nahe, war das legendäre Götterschwert Ynsanter darauf eingraviert. Am liebsten hätte er es in Händen gehalten, nur für einen Augenblick, damit es ihm bei seiner schwierigen Suche helfen möge. Aber das alles war leider Wunschdenken, wie er wusste. Vorsichtig schlich er sich in den Tempel, der zum Glück nie abgeschlossen war und näherte sich dem Obsidianaltar am anderen Ende. Zu beiden Seiten spendeten zwei brennende Kohlebecken ein wenig Licht. Ihr flackerndes Licht warf bizarre Schatten auf den Boden und die Wände, und doch wirkten diese wie Balsam für seine aufgewühlte Seele.
Zum ersten Mal seit seiner frühen Kindheit kehrte er an den Ort zurück, an dem er manchmal mit seinen getöteten Eltern und seinem Bruder gebetet hatte. Hier hatte sein Vater Gottesdienste und Zeremonien abgehalten. Hier hatten sein Bruder und er zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, wer Zevenaar war. Ehrfürchtig faltete er die Hände und richtete seinen Blick nach oben. Über dem Altar schwebt eine, von Priestermagie durchwobene Nachbildung des Götterschwertes Ynsanter. Im Licht des Feuers funkelte die goldene, zweischneidige Klinge wie das Licht der Sonne. In der Blutrinne waren deutlich die darin eingravierten göttlichen Runen zu erkennen. Das Querstück endete zu beiden Seiten in Form zweier Drachenflügel, die symbolisch von illusionären Flammen umgeben waren. Der angeblich weiße Elfenbeingriff, der wie der Rest dieser Darstellung jedoch komplett aus Gold bestand, wand sich wie eine Schlange um einen Baumstamm und der Schlangenkopf bildete den Knauf. Allerdings hatte Nomarac mittlerweile die genaue Bedeutung dessen vergessen und wusste lediglich noch, dass der Knauf aus einem roten Rubin bestand, der ganz besond ere Kräfte besaß.
Nomarac ging in die Knie, senkte den demütig den Kopf und versank abermals in ein inniges Gebet an den Feuergott. Er versuchte sich damit selbst Mut zu machen, sich zu stärken. Erst als er sich beruhigt hatte und er endlich ein wenig besser fühlte, stand er wieder auf und schlich zuversichtlicher hinaus ins Freie. Er sog die kühle Nachtluft in die Lungen und ließ sie mit einem Seufzen entweichen. Dann spannte er die Schultern an und eilte vom Tempel in Richtung Marktplatz davon.
Der junge Raukarii überquerte kurz vor Morgengrauen den gesamten Markt, vorbei an den kleinen Buden und Zelten von Händlern, die für einen ganzjährigen Platz bezahlten. Heimlich wagte er sich auch zu dem Sklaven hinüber, die noch in ihren Käfigen auf den Pferdekarren schliefen. Doch leider entdeckte er nirgendwo seinen Bruder. Enttäuscht und frustriert lief er davon und überlegte, wo er als nächstes nach ihm suchen sollte.
Als die ersten Läden öffneten und die ersten Raukarii die Straßen bevölkerten, begann er jeden, den er traf, auszufragen. Er beschrieb seinen Bruder genau und deutete immer wieder auf sich, denn bis auf die Haare und den schmalen Körperbau sahen sie gleich aus. Nomarac erkundigte sich auch nach Cuphir, Myrem und Charan. Leider bekam er jedoch immer ein Kopfschütteln als Antwort.
Aber so schnell ließ er sich nicht entmutigen. Deshalb kam ihm eine neue Idee. Vielleicht konnte Ronor fliehen und zu ihrem Unterschlupf zurückgekehrt. Das war eine Möglichkeit, die er noch gar nicht in Betracht gezogen hatte. Also machte er sich sofort auf den Weg dorthin. Enttäuscht musste Nomarac feststellen, dass sein Bruder nicht da war.
Wo konnten die drei Mistkerle Ronor hingebracht haben?
Wiederholt grübelte er über den gestrigen Tag und den Abend nach. Dabei stahl sich immer wieder ein Bild in den Vordergrund. Leuchtend helle bernsteinfarbene Augen und ein liebevolles Lächeln beruhigten ihn auf ihre ganz besondere Art und Weise. Auf eine Weise, wie nur Alori es konnte. Und womöglich lag dort auch des Rätsels Lösung? Alori. Doch es war nicht Alori, die er unbedingt sprechen musste, sondern Endis Teptur. Endis pflegte zu vielen einflussreichen, aber zu noch mehr zweifelhaften Raukarii in Mayonta Geschäftsbeziehungen. Vielleicht kannte er diesen Charan von der
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