Pechstraehne
paar Jahre später. Ich hatte zu wählen zwischen schneller Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen und guter Pflege, oder einem Rosenkrieg und der Aussicht, für den Rest meines elenden Dahinvegetierens mittellos dazustehen. Wie ich mich entschieden habe, können Sie an meiner heutigen Lage leicht erkennen.«
»Die Giegers zahlen immer noch für Ihre Pflege?«
»Jeden Monat, ja. Seit ein paar Jahren gibt es zwar diese sogenannte Pflegeversicherung, die etwas beisteuert, aber das deckt beileibe nicht die Kosten. Nein, was das angeht, konnte ich mich immer auf die Familie Gieger verlassen.«
»Und das haben Sie sich dadurch erkaufen müssen, dass Sie in die schnelle Scheidung eingewilligt haben?«
»Schnelle Scheidung, Verzicht auf jeglichen Vermögensvorteil und eine Schweigeverpflichtung.«
Lenz wartete ein paar Sekunden, bevor er seine nächste Frage stellte.
»Über was müssen Sie denn schweigen, Frau Gieger?«
»Über alles, was ich jemals im Zusammenhang mit der Familie erlebt und zur Kenntnis bekommen habe. Über all die krummen Geschäfte, die sie abgewickelt haben, muss ich schweigen, und über all die gesellschaftlichen Verwerfungen, die mir zu Ohren gekommen sind.«
»Aber das ist doch alles längst verjährt«, gab Lenz zu bedenken. »Und für die ganzen anderen Dinge dürfte sich heute wirklich niemand mehr interessieren. Was für uns allerdings von Bedeutung wäre, sind die genaueren Umstände dieser mysteriösen Entführung ihres Exmannes.«
In ihrem erstaunlich faltenlosen Gesicht machte sich erneut so etwas wie Erheiterung breit.
»Ach, diese Räuberpistole«, hauchte sie. »Da war doch nie auch nur einen Funken Wahrheit dran.«
»Sie meinen, Ihr damaliger Mann ist gar nicht das Opfer einer Entführung gewesen?«
»Entführt war er wohl schon, nur ob er ein Opfer war, das wage ich mal sehr zu bezweifeln.«
»Die ganze Sache war fingiert?«, fragte Lenz erstaunt, dem mittlerweile der Schweiß in Strömen über den Körper lief, und der von einem Bein auf das andere trat.
»Was heißt schon fingiert? Ich weiß, dass Rudolph sich nach seiner Heimkehr öfter mit dem Mann getroffen hat, den man landläufig als seinen Entführer bezeichnen würde, auch bei uns im Haus, und das macht man doch nicht, wenn an der Sache nicht irgendetwas faul ist, oder?«
Dem Hauptkommissar lief trotz der Hitze in dem Raum ein kalter Schauer über den Rücken.
»Rudolph Gieger hat sich … Woher glauben Sie zu wissen, dass es sich bei dem Mann, den er getroffen hat, um seinen Entführer handelte?«
»Ich habe das eine oder andere Gespräch zwischen ihnen belauscht. Und einmal habe ich gehört, wie mein damaliger Mann ihm erklärt hat, dass wirklich nicht nach ihm gesucht werden würde, weil er selbst bei den Behörden dafür gesorgt habe.«
Lenz brauchte ein paar Augenblicke, um die Brisanz ihrer Aussagen zu begreifen.
»Aber es wurde doch ein Lösegeld bezahlt, oder?«
»Davon weiß ich leider gar nichts, weil ich, nachdem ich die Polizei über die Entführung informiert hatte, in das Ferienhaus der Familie Gieger im Tessin geschickt wurde.«
Sie machte eine kurze Pause.
»Verjagt würde es besser treffen, glaube ich.«
»Und als Sie nach Kassel zurückkehrten, war Ihr Mann zu Hause und alles wieder im Lot?«
Wieder brauchte die alte Frau eine Pause, diesmal eine längere. Offenbar wurde die Befragung zur Belastungsprobe für sie.
»Genau so, ja«, kam schließlich als Antwort. »Es wurde kurz betont, dass über nichts gesprochen werden dürfe, und man ging zur Tagesordnung über.«
Ein paar schwere Atemzüge.
»Irgendwann in dieser Zeit bekam ich das Ergebnis einer Fruchtbarkeitsuntersuchung, allerdings leider nach der Familie Gieger. Damit war dann klar, dass es an mir lag, dass kein Stammhalter geboren wurde, und so erging es mir in den Wochen bis zu meinem Selbstmordversuch auch. Ich war zur Persona non grata geworden, wurde gemieden und geschnitten, besonders von meinem Ehemann. Und irgendwann habe ich diesen Zustand einfach nicht mehr ausgehalten.«
Lenz stiegen ob ihrer Erzählung die Tränen in die Augen.
»Und wie ging es weiter, nachdem Sie im Krankenhaus wach geworden waren?«
»Das hat schon ein paar Wochen gedauert, bis ich aus dem Koma erwacht bin.«
Margot Gieger rechnete kurz nach, wobei sich ihre Augenlider ein paar Mal hoben und senkten.
»Elf Wochen lag ich ungefähr im Koma, und als ich aufgewacht bin und mir über meinen Zustand klar wurde, gab es nur noch den noch
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