Pechstraehne
Anweisung seines Vorgesetzten hinwegsetzt, aber damals war das wirklich nicht üblich; zumal, wenn die Anweisung direkt aus Wiesbaden gekommen ist. Außerdem hatten wir noch dazu einen Maulkorb umgehängt bekommen, und was das heißt, dürfte auch heutigen Kriminalbeamten nicht ganz unbekannt sein.«
»Ihr durftet nicht einmal über die Sache sprechen?«
»Genau das. Wir durften nicht einmal über die Sache sprechen. Und wenn wir es trotzdem gemacht hätten, wäre uns das garantiert nicht gut bekommen auf unserem weiteren Karriereweg.«
»Immerhin hat dir dein Schweigen nicht geschadet«, stellte Wagner möglichst wertfrei fest.
»Das weiß ich nicht. Aber vermutlich hätte ich es nicht bis an die Spitze von K11 geschafft, wenn ich damals mein Maul aufgerissen hätte.«
»Und es gab nie irgendwelche Hinweise an die Presse oder so was?«, wollte Lenz erstaunt wissen.
»Und wenn es die gegeben hätte, wäre die Sache auch nicht anders ausgegangen«, echauffierte Schwich sich mit hochrotem Kopf. »Die Giegers gingen bei den Dippels, der Herausgeberfamilie unserer Lokalpostille, ein und aus. Glaubst du, da hätte eine Krähe der anderen ein Auge ausgehackt? Und solch modernes Zeug wie dieses Internet, wo alles innerhalb von Sekunden in die Welt hinausposaunt werden kann, war damals zum Glück noch nicht erfunden.«
»Hast du diesen Gieger eigentlich mal persönlich kennengelernt?«, wollte Wagner wissen.
»Nein, wo denn auch? So Leute wie die Giegers haben sich doch mit einfachen Bullen wie mir nicht abgegeben.«
»Schon klar«, stellte Lenz fest. »Rudolph Gieger ist irgendwann von selbst wieder aufgetaucht, und die ganze Sache war vergessen?«
»Genau so«, bestätigte Schwich. »Hinter vorgehaltener Hand hat man solche Sachen gemunkelt wie die, dass die Giegers zur Bereinigung der Geschichte eine ganze Armada von Privatdetektiven angeheuert hätten, und dass auch ein dickes Lösegeld gezahlt worden sei, aber das ist, wie gesagt, nur Hörensagen.«
»Waren damals eigentlich Giegers Kinder schon auf der Welt?«
»Nein, die kamen erst später. Mit seiner ersten Frau hatte Rudolph Gieger keine Kinder.«
»Gieger ist zum zweiten Mal verheiratet?«, hakte Lenz erstaunt nach. »Davon wusste ich nichts.«
»Ja, klar ist er in zweiter Ehe verheiratet. Die erste Frau hat versucht, sich das Leben zu nehmen, was im Rollstuhl geendet hat, und ist in der Folge dauerhaft in einem Pflegeheim gelandet.«
Er rechnete kurz mit vor dem Körper ausgestreckten Händen.
»Die Frau müsste in meinem Alter sein, vielleicht etwas jünger. Stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch lebt.«
»Das müsste herauszufinden sein«, murmelte Lenz, in dessen Gehirn sich langsam so etwas wie ein Puzzle der Gieger’schen Familienverhältnisse zusammenfügte. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie viel Zeit zwischen der vermeintlichen Entführung und dem Suizidversuch der Frau lag?«
»Nein, so genau weiß ich das nicht mehr, Paul. Aber allzu lang war es nicht. Vielleicht ein viertel Jahr, mehr auf keinen Fall.«
»Und danach ist sie dauerhaft in einem Pflegeheim verschwunden?«
Schwich nickte traurig.
»Eine ganz tragische Geschichte, wenn du mich fragst. Ich will mir gar nicht vorstellen müssen, dass meine Frau versucht hätte, sich das Leben zu nehmen. Irgendwie bleibt man da, glaube ich zumindest, immer mit dem Gedanken zurück, dass man mehr hätte tun müssen, um es zu verhindern. Auch wenn es letztlich beim Versuch geblieben ist.«
23
Manfred Eisenberg blickte nervös auf seine Armbanduhr.
19.15 Uhr, und er hatte noch keine Bestätigung, dass der Auftrag, den er erteilt hatte, zu seiner Zufriedenheit ausgeführt war. Er sah sich in seinem Arbeitszimmer um, brachte zum x-ten Mal die Stifte und den Rest der Utensilien auf dem Schreibtisch in eine für ihn geordnet wirkende Position und holte sich anschließend eine weitere Tasse Kaffee aus der Küche.
»Hast du noch länger im Büro zu tun?«, wollte seine Frau aus dem Wohnzimmer wissen, nachdem das Rattern ihrer Nähmaschine für ein paar Sekunden ausgesetzt hatte.
»Ja. Ich muss mich noch um ein paar Dinge kümmern und warte außerdem auf einen Anruf.«
»So spät noch?«
Eisenberg atmete genervt durch, doch Margot, seine Frau, war weit genug entfernt, um diese Gemütsregung nicht wahrzunehmen.
»Ja, Liebes, so spät noch. Es geht um einen wirklich wichtigen Auftrag.«
»Na, dann drücke ich dir mal ganz fest die Daumen«, erwiderte sie optimistisch, und kurz
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