Pechstraehne
weiteren 700 deutschen Soldaten aus Afghanistan ging.
Völlig irre , dachte Wachter. Die kriegen das in 100 Jahren nicht hin, wenn die NATO-Truppen erst weg sind.
Nachdem er aus dem aktiven Dienst bei der Bundeswehr ausgeschieden war, hatte er zuerst einmal vier Wochen Urlaub gemacht. Tauchurlaub, um genau zu sein. Hatte sich das Great Barrier Reef in Australien so detailliert angeschaut wie wenige Nichtaustralier vor ihm. Und er hatte ernsthaft überlegt, sich in Australien niederzulassen und dort zu arbeiten. Dann jedoch, als er gerade in Sidney nach einer Bleibe suchte, rief ihn ein ehemaliger Ausbilder an, der gehört hatte, dass Wachter ausgeschieden war, und machte ihm ein Angebot, das nur ein Idiot abgelehnt hätte. So kam es, dass Norman Wachter keine sechs Wochen darauf im Irak landete, diesmal jedoch unter völlig anderen Vorzeichen als bei seinen Afghanistan-Einsätzen, denn er war nun Angestellter eines großen amerikanischen Sicherheits- und Militärunternehmens, in dessen Auftrag er Diplomaten und deren Häuser beschützte, Konvois absicherte und Kasernen bewachte. Zum ersten Mal in seinem Leben verdiente er so viel Geld, dass er Pläne für ein Haus oder eine schöne Wohnung in Sidney schmieden konnte und mehr als heimlich davon träumte, eine Tauchschule zu eröffnen. Diesen wirklich geilen Job hätte er sicherlich noch ein paar Jahre gemacht, wenn nicht das US-Verteidigungsministerium nach ein paar unschönen Vorfällen, mit denen er zwar nichts zu tun hatte, aber bei denen mehrere Zivilisten das Leben verloren hatten, den Vertrag mit seinem Arbeitgeber zum Ende 2009 einfach nicht verlängert hätte. So stand er an einem lausig kalten Januarmorgen 2010 am Frankfurter Flughafen mit einer Reisetasche in der Hand, einem prall gefüllten Portemonnaie und der Gewissheit, dass es zwar nicht für eine Tauchschule in Australien, auf jeden Fall aber für ein sorgenfreies Jahr reichen würde. Immerhin wusste er schon auf der Taxifahrt in die City, dass er so schnell wie möglich abhauen würde in den Sommer auf der anderen Seite der Erdhalbkugel, dorthin, wo ihn zu dieser Zeit über 30 Grad Luft- und 22 Grad Wassertemperatur erwarteten.
Doch wieder kam es anders, und wieder nahm Norman Wachters Leben eine Wendung, die er nie und nimmer für möglich gehalten hatte. Denn kaum, dass er sein möbliertes Appartement in der Innenstadt bezogen hatte, meldete sich sein Mobiltelefon, und der gleiche ehemalige Ausbilder, der ihm schon den Job im Irak angeboten hatte, bot ihm eine neue Beschäftigung an. Diesmal jedoch unter gänzlich anderen Vorzeichen und zu Konditionen, die ihn beim Gedanken daran erschaudern ließen.
Es wäre ein völlig neues Betätigungsfeld für dich , hatte Watzke, der Anrufer, ihm während eines Treffens im Grüneburgpark erklärt. Wenn du es machen würdest, müsstest du vermutlich dein komplettes bisheriges Leben hinter dir lassen.
Wachter hatte sich alles genau erklären lassen, jede Einzelheit nachgefragt und dann herzhaft gelacht.
Ich bin doch kein verdammter Killer , war seine empörte Reaktion gewesen, nachdem er das detaillierte Angebot kurz rekapituliert hatte.
Doch , hatte der Ausbilder geantwortet, genau das bist du. Bis jetzt hast du für eine Sache oder von mir aus auch für dein Vaterland getötet, und ab jetzt würdest du es für Geld machen, für verdammt viel Geld. Menschen mit deiner Ausbildung und deinen Fähigkeiten wachsen nicht auf den Bäumen, also nutze das alles und sieh zu, dass du das Beste daraus machst.
Bei allem Respekt , konterte Wachter seinerzeit, aber da sehe ich schon noch einen ziemlichen Unterschied. Ich werde mir nämlich nicht meinen Lebensunterhalt damit verdienen, dass ich irgendwelche Unschuldigen abknalle.
Watzke hatte ihn mit gekräuselter Stirn angeschaut.
Klar, bisher konntest du auch immer zu 100 Prozent sicher sein, dass der, den man dir als Bösewicht präsentiert hat, auch wirklich einer von den Bösen war. Oder hast du vielleicht auch da manchmal Zweifel gehabt?
Sie hatten mit immer kälter werdenden Händen und Füßen noch mehr als zwei Stunden dagesessen und geredet, und mit jeder Minute konnte Wachter merken, wie seine innere Ablehnung kleiner wurde und schließlich kaum mehr spürbar war. Dann hatten sie sich auf einen sogenannten Pilotauftrag geeinigt, eine einfache Sache. Und keine zwei Wochen darauf hatte Norman Wachter in London seinen ersten Job als Auftragskiller erledigt, bei dem es um einen russischen Millionär ging,
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