Pechstraehne
Schwitzen zu geraten, den Weg zurück, den sie gekommen waren. Auf Höhe des blauen Passats mit dem Hamburger Kennzeichen, an dessen Steuer noch immer der Mann saß, dessen Kopf komplett von der Zeitung verdeckt war, in der er las, drehte Hain sich nach links und versuchte, etwas von dessen Gesicht zu erkennen, doch es gelang ihm nicht.
»Der hat schon hier gesessen, als wir gekommen sind«, bemerkte er leise.
»Na, ja, bis er die komplette Süddeutsche gelesen hat, wird es wohl Abend sein«, frotzelte Lenz.
»Ja, das mag sein. Aber warum hockt er sich dafür in seine Karre? An seiner Stelle würde ich mich doch lieber auf eines der vielen Mäuerchen setzen, die sich hier finden lassen.«
Er sah seinen Kollegen kurz an und bog dann nach links ab.
»Mensch, Thilo, lass das doch. Wir haben echt Wichtigeres zu tun.«
Hain hob den Arm zum Zeichen, dass er seinen Kollegen zwar verstanden hatte, auf dessen Meinung aber keinen Wert legte, und ging schnurstracks auf den Passat zu.
Blödmann , murmelte Lenz, und folgte ihm widerwillig.
Obwohl die Zeitung sich während der ganzen Zeit nicht einen Millimeter bewegt hatte, fühlte Hain sich doch irgendwie beobachtet. Dann hatte er die Fahrertür erreicht, hob die Hand, und klopfte mit dem rechten Zeigefinger gegen die Seitenscheibe.
28
Norman Wachter hatte gewusst, wo er Manfred Eisenberg finden würde, weil er ihm schon öfter zu dieser Schule und zu seinem Zuhause gefolgt war. Es war eines seiner herausragendsten Merkmale, dass er ständig versuchte, über alle Menschen, mit denen er zu tun hatte, möglichst gut informiert zu sein. Und so hatte er einen seiner besten Auftraggeber im vergangenen Jahr, als er ein paar Tage nichts zu tun hatte, ein wenig observiert; war ihm in den Golfclub gefolgt und zu der Werkstatt, die sein Wohnmobil betreute. Hatte ihn beim Essen in seiner Lieblingspizzeria ebenso beobachtet wie beim Besuch einer Prostituierten, die den alten Mann in knapp einer viertel Stunde abgefertigt hatte. Und er hatte von der Anwesenheit der kleinen Enkeltochter erfahren, die Eisenberg, so oft es ging, zur Schule fuhr und auch von dort wieder abholte.
Eigentlich war er mit der festen Absicht in Frankfurt gestartet, Eisenberg langsam und quälend zu töten. Mit dem kleinen, schmutzigen Geheimnis allerdings, das ihm Werner Bellof in Lollar anvertraut hatte, erschien es ihm plötzlich wesentlich interessanter, sich mit einem lebenden Manfred Eisenberg auseinanderzusetzen. Von einem lebenden, oder besser überlebenden Manfred Eisenberg den Lohn für seinen letzten Job zu bekommen, und womöglich noch einiges mehr. Vielleicht würde ja das, was er mit seinem neu erworbenen Wissen aus dem alten Mann herauspressen konnte, reichen, um nie mehr für Geld einen Menschen töten zu müssen.
Als der weißhaarige Mann dann vor der Schule aufgetaucht war, hatte es ihm fast leidgetan, diesem miesen Schwein nicht doch das Leben nehmen zu können, und für einen Moment war ihm der Gedanke gekommen, ihn nach Abschluss der finanziellen Dinge einfach über den Haufen zu schießen, so tief saß seine Enttäuschung über das Geschäftsgebaren seines Auftraggebers. Es war nicht gut, mit ihm einen solchen Tanz zu wagen, dazu war Norman Wachter erstens zu gut in dem, was er machte, und zweitens deutlich zu nachtragend.
Nun hatte er vor Eisenbergs Haus Position bezogen und wollte einen ersten Testballon mit seinem neuen Druckmittel steigen lassen. Direkt beim Mittagessen würde er einfach klingeln, den Hausherrn anlachen, ihm auf den Kopf zusagen, was er wollte, und dass er es auf jeden Fall kriegen würde. Etwas mehr als zehn Minuten hatte er schon im Wagen gewartet, als plötzlich dieser japanische Kombi mit den zwei Komikern darin aufgetaucht war. Ein junger, drahtiger Typ und ein etwas älterer, die langsam durch die kleine Seitenstraße gerollt waren, parkten und dann an ihm vorbeischlenderten. Für einen Moment hatte Wachter den Gedanken gehabt, dass es sich bei den beiden um Bullen handeln könnte, diesen Verdacht jedoch sofort wieder verworfen, weil hessische Polizisten nie und nimmer mit einem Toyota-Kombi unterwegs waren. Die hessische Polizei wurde vorzugsweise in Rüsselsheim vorstellig, wenn es um neue Einsatzfahrzeuge ging, vielleicht auch in Untertürkheim, München oder Wolfsburg, aber niemals in Toyota in Japan, davon war Wachter felsenfest überzeugt. Sein Blick fiel zurück zu dem Zeitungsartikel, den er gerade gelesen hatte, und in dem es um den Abzug von
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