Pechvogel: Roman (German Edition)
müssen wir uns zumindest keine Sorgen mehr darüber machen, wie wir den Flammen ausweichen, die aus den zerbrochenen Fenstern schlagen.
Auf dem Weg findet Doug einen Penny, hebt ihn auf und steckt ihn ein. »Der bringt Glück, Holmes.«
An diesem Punkt möchte ich mich nicht mehr mit Doug streiten. Wir brauchen alle Hilfe, die wir kriegen können.
Auf der Straße unter uns sind zwei Löschfahrzeuge vor dem Hotel in Stellung gegangen, und auf den Bürgersteigen beginnt sich ein Pulk zu bilden. Das Spektakel hat begonnen.
»Okay«, sage ich. »Doug, du als Erster.«
»Es heißt Bow …«
»Ja, klar, wie auch immer. Geh einfach.«
Nachdem Doug die Leiter zum ersten Treppenabsatz heruntergestiegen ist, schaut Jimmy über die Dachkante und sagt: »Ich gehe da nicht runter.«
»Du hast keine Wahl«, erwidere ich.
»Aber ich habe Angst.«
»Ich weiß. Aber alles wird gut. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.«
»Versprochen?«
»Versprochen«, bestätige ich und frage mich einmal mehr, ob ich soeben ein Versprechen gegeben habe, das ich gar nicht einhalten kann.
Jimmy schaut erneut über die Kante und beginnt schließlich, die Leiter herunterzusteigen.
»Ich bin direkt hinter dir«, erkläre ich ihm. »Und es könnte helfen, wenn du nicht so sehr auf die Höhe achtest.«
Noch ehe ich Jimmy folgen kann, springt die Tür zum Dach auf. Es ist Tommy, der mir hinterherruft: »Das reicht jetzt.«
Ich drehe mich um und sehe, dass Tommy von Schläger eins und Schläger zwei flankiert wird. Die beiden haben ihre Knarren auf mich gerichtet. Und ich? Ich stehe da, und mein Kopf ist vollkommen leer.
»Zurück auf das Dach«, befiehlt Tommy. »Und Sie, Mr. Monday, gehen von dem Jungen weg.«
Ich sehe zu Doug herunter, der es gerade auf den nächsten Absatz geschafft hat. Als er mich anschaut und zu mir hochklettern will, schüttle ich kaum merklich den Kopf und wende mich wieder Tommy zu.
»Was macht Sie eigentlich so sicher, dass ich sein Glück nicht schon längst gewildert habe?«, frage ich ihn.
»Nennen wir es einfach einen Verdacht«, gibt Tommy zurück. »Und jetzt treten Sie zur Seite.«
Jimmy hat die erste Leiter zur Hälfte geschafft und betrachtet mich. Ich trete nicht zur Seite, sondern nicke dem Jungen stattdessen zu und sage: »Weiter so!«
Schläger eins bewegt sich in unsere Richtung, die Pistole beständig auf mich gerichtet. Mir ist klar, dass das alles hier nur gut ausgehen kann, wenn es mir gelingt, vorzutäuschen, dass ich das, was ich tue, tatsächlich sehr gut beherrsche. Ich hoffe bloß, dass Jimmys Glück stark genug ist und ihm daher nichts passiert.
Als Schläger eins uns schließlich erreicht, strecke ich Jimmy meine rechte Hand entgegen. »Vertrau mir.«
»Stopp!«, ruft Tommy.
Ich bezweifle zwar, dass er oder seine Schläger es zu diesem Zeitpunkt riskieren werden, mich einfach abzuknallen, aber dieser Gedanke sorgt nicht unbedingt dafür, dass ich vor Selbstsicherheit strotze, als ich Jimmys rechte Hand ergreife. Dann packt mich Schläger eins und reißt mich fort von ihm.
Ich war nie zuvor in meinem Leben in der Situation, einen Glücksdiebstahl vorspielen zu müssen. Ich vermute, dass es ungefähr so ist, wie einen Orgasmus vorzutäuschen, aber auch das habe ich bislang noch nie gemacht. Und meines Wissens hat auch noch keine Frau, mit der ich geschlafen habe, eine solche Show abziehen müssen. Ich seufze leise und straffe die Schultern. Damit das hier funktionieren kann, muss ich jetzt eine wirklich gute Vorstellung abliefern. Also öffne ich den Mund, atme stoßweise und presse ein paar Tränen heraus – was mir nicht schwerfällt, da Schläger eins mir in diesem Moment hilfreicherweise die Knarre auf den Hinterkopf schlägt.
Ich lasse mich auf alle viere fallen, scheinbar überwältigt von der Kraft von Jimmys Reinem Glück. Kurz entschlossen füge ich noch ein paar Zuckungen zu meinem Programm hinzu und hoffe, dass es nicht übertrieben wirkt.
Schläger eins zielt nun direkt auf mein unteres Rückgrat. »Steh auf.«
Keuchend tue ich wie befohlen, wische mir die Tränen aus den Augen und lasse meinen Körper zum Abschluss der Vorstellung ein letztes Mal erzittern.
Und der Oscar geht an …
»Das war kein schlauer Zug«, meint Tommy.
Ich atme einmal tief ein. »Lustigerweise ist das exakt der letzte Satz, den mein Vater je zu mir gesagt hat.«
»Sie haben Glück, dass es nicht der letzte Satz ist, den Sie jemals hören werden«, erwidert Tommy.
Ich blicke
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